David und Goliath
Soldaten ihre Offiziere sahen, wie schwarze Soldaten ihre Behandlung wahrnahmen oder wie sich Soldaten auf einsamen Außenposten fühlten.
Eine Gruppe von Fragen stach Stouffer besonders ins Auge. Unter anderem befragte er Soldaten in der Militärpolizei und bei den Luftstreitkräften, wie gut der militärische Apparat ihrer Ansicht nach bei der Identifizierung und Beförderung fähiger Leute war. 32 Die Antwortenwaren eindeutig: Die Militärpolizisten sahen ihre Organisation deutlich positiver als die Flieger.
Das schien jedoch paradox, denn die Militärpolizei hatte die schlechtesten Beförderungsquoten in den gesamten Streitkräften, während die Luftstreitkräfte mit die besten hatten. Genauer gesagt waren bei den Fliegern die Aussichten, zum Offizier befördert zu werden, doppelt so gut wie bei der MP. Warum waren dann die Angehörigen der Militärpolizei zufriedener? Die Antwort war, dass sich Militärpolizisten nur mit anderen Militärpolizisten vergleichen konnten. Wer in der Militärpolizei befördert wurde, durfte sich über ein seltenes Ereignis freuen. Wer nicht befördert wurde, saß dagegen im selben Boot wie die meisten Kollegen und war deshalb nicht übermäßig unzufrieden.
»Vergleichen wir das mit einem Angehörigen der Luftstreitkräfte derselben Ausbildung und demselben Dienstalter«, schrieb Stouffer. Die Wahrscheinlichkeit, zum Offizier befördert zu werden, lag bei über 50 Prozent. »Wer befördert wurde, gehörte zur Mehrheit dieser Waffengattung, weshalb diese Leistung weniger Wert hatte als bei der Militärpolizei. Wer dagegen nicht befördert wurde, gehörte zur Minderheit und hatte mehr Grund, enttäuscht zu sein, und diese Enttäuschung äußerte sich in der Kritik an den Beförderungen.«
Wir vergleichen uns also nicht global mit dem größtmöglichen Pool, sondern lokal mit Leuten, die im gleichen Boot sitzen wie wir. Die Wahrnehmung unseres Mangels ist somit relativ. Das ist eine dieser Erkenntnisse, die auf den ersten Blick auf der Hand zu liegen scheinen, aber auf den zweiten sehr weitreichende Folgen haben. Sie erklärt alle möglichen Phänomene, die ansonsten rätselhaft blieben. Nehmen wir ein einfaches Beispiel. Welches Land hat Ihrer Ansicht nach eine höhere Selbstmordrate? Ein Land, dessen Einwohner sich selbst als glücklich bezeichnen, zum Beispiel die Schweiz, Dänemark, Island, die Niederlande oder Kanada? Oder ein Land, dessen Einwohner eher unzufrieden mit dem Leben sind, wie Griechenland, Italien, Portugal oder Spanien? Die Antwort: In den »glücklichen« Ländern nehmen sich mehr Menschen das Leben. Die Erklärung ist dieselbe wie im Fall der Militärpolizei und der Luftstreitkräfte. Wenn Sie in einem Land deprimiert sind, in dem auch die meisten anderen Menschen unzufrieden sind, dann vergleichen Sie sich mit den Menschen in Ihrer Umgebung und fühlen sich möglicherweise nicht mehr ganz so schlecht. Aber können Sie sich vorstellen, wie schwierig es sein muss, in einem Land unter Depressionen zu leiden, in dem alle mit einem breiten Dauergrinsen im Gesicht herumlaufen? 33
Es war also nicht weiter verwunderlich, dass sich Caroline Sacks bei einem Vergleich mit den übrigen Studierenden in ihren Kursen abwertete. Es war typisch menschlich. Wir vergleichen uns mit anderen, die in demselben Boot sitzen wie wir. Nun stellen Sie sich vor, was das für die Studierenden von Eliteuniversitäten bedeutet. Die Einwohner von glücklichen Ländern begehen mit größerer Wahrscheinlichkeit Selbstmord als die Einwohner von weniger glücklichen Ländern, da sie die zufriedenen Gesichter in ihrer Umgebung sehen und einen schmerzlichen Unterschied feststellen. Und was glauben Sie, wie sich Studierende an Eliteuniversitäten fühlen, wenn sie ihre genialen Kommilitonen sehen?
Der Name dieses Phänomens ist treffenderweise »Großer-Fisch-kleiner-Teich-Effekt«. Je elitärer eine Bildungseinrichtung, desto schlechter schätzen die Studierenden ihre eigenen Fähigkeiten ein. Studierende, die in einer guten Universität zu den Besten zählen würden, gehören in einer sehr guten Universität schnell zu den Schlechtesten. Studierende, die in einer guten Universität das Gefühl haben, ihren Stoff zu beherrschen, können an einer sehr guten Universität leicht den Eindruck bekommen, dass sie immer weiter zurückfallen. So subjektiv, lächerlich und irrational dieses Gefühl sein mag – es ist das Einzige, was zählt. Die subjektive Wahrnehmung Ihrer Fähigkeiten – Ihr
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