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David und Goliath

David und Goliath

Titel: David und Goliath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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akademisches Selbstbild – wirkt sich auf Ihre Bereitschaft aus, schwierige Aufgaben anzugehen und sie auch abzuschließen. Sie ist der Grundstein Ihrer Motivation und Ihres Selbstbewusstseins.
    Die Theorie vom großen Fisch im kleinen Teich geht auf den Bildungspsychologen Herbert Marsh zurück. 34 Nach Ansicht von Marsh gehen die meisten Eltern und Studierenden bei der Wahl ihrer Universität von völlig falschen Kriterien aus: »Viele Leute halten es für eine guteSache, an einer Universität mit strengen Auswahlkriterien zu studieren. Aber das stimmt so nicht.« Er erzählt: »In Sydney gibt es ein paar staatliche Eliteuniversitäten, die noch mehr Ansehen genießen als die privaten. Die Aufnahmetests sind unglaublich schwer. Während meiner Zeit in Sydney habe ich jedes Jahr, pünktlich zu den Aufnahmetests, einen Anruf vom Morning Herald , der größten Tageszeitung der Stadt, bekommen. Es war jedes Jahr dasselbe, und jedes Jahr sollte ich mir irgendetwas Neues einfallen lassen. Am Ende habe ich gesagt, wenn Sie Leute kennenlernen wollen, deren Ego von der Eliteuni profitiert, dann sollten sie sich mit den Eltern unterhalten, nicht mit den Studierenden.«
6
    Sacks ist kein Einzelfall. Mehr als die Hälfte aller amerikanischen Studierenden, die einen naturwissenschaftlichen oder technischen Studiengang aufnehmen, brechen ihr Studium nach dem ersten oder zweiten Jahr ab. Obwohl ein naturwissenschaftlicher Abschluss in der heutigen Wirtschaftslage das beste Startkapital für junge Hochschulabsolventen ist, wechseln viele in die Geisteswissenschaften, weil hier die Anforderungen niedriger sind. Das ist einer der Gründe für den Mangel an Naturwissenschaftlern und Ingenieuren in den Vereinigten Staaten und Kanada.
    Aber wer bricht das Studium ab, und warum? Sehen wir uns als Beispiel das Hartwick College im Bundesstaat New York an, eine kleine Universität, wie sie für den Nordosten der Vereinigten Staaten typisch sind. In der folgenden Tabelle werden die Studierenden, die sich am Hartwick College für einen mathematisch-naturwissenschaftlichen oder technischen Studiengang einschreiben, in drei Gruppen eingeteilt, und zwar nach den Punktzahlen, die sie im Mathematikteil des nationalen Hochschulzugangstests SAT erreichten (die Höchstpunktzahl beträgt 800). 35
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    Wenn wir nur von diesen Zahlen ausgehen, bringen die besten und die schlechtesten Studierenden an Hartwick sehr unterschiedliche mathematische Vorkenntnisse mit. Sehen wir uns nun an, welcher Anteil der jeweiligen Gruppe mit einem naturwissenschaftlichen Abschluss von Hartwick College abging.
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    Von den Studierenden des besten Drittels schließt also mehr als Hälfte ihr Studium mit einem naturwissenschaftlichen Abschluss ab. Aus dem schlechtesten Drittel schaffen dies nur 17,8   Prozent. Die Studierenden, die in Mathematik die schlechtesten Voraussetzungen mitbringen, brechen ihr Studium also in Scharen ab. Das klingt nur logisch: Die Mathematik- und Physikkurse, die angehende Naturwissenschaftler und Ingenieure belegen müssen, sind sehr anspruchsvoll, und nur die besten Studierenden sind in der Lage, den Stoff zu bewältigen.
    Sehen wir uns nun die Verteilung an der Harvard University an, einer der renommiertesten Hochschulen der Welt.
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    Es ist vermutlich nicht weiter verwunderlich, dass die Studierenden von Harvard im Mathematikteil des SAT deutlich mehr Punkte erzielt haben als die Studierenden des Hartwick Colleges. Der Unterschied spricht Bände: Das schlechteste Drittel von Harvard schneidet im Durchschnitt immer noch etwas besser ab als das beste Drittel von Hartwick. Wenn ein erfolgreicher Studienabschluss in einem naturwissenschaftlichen Fach von den mathematischen Vorkenntnissen abhängt, dann sollte doch eigentlich jeder an Harvard mit einem Diplom in der Tasche abgehen – oder nicht? Zumindest auf dem Papier sieht es so aus, als hätten an Harvard alle das Zeug dazu. Aber sehen wir uns die Zahlen an:
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    Ist das nicht erstaunlich? Die Verteilung ist nahezu identisch mit der Verteilung von Hartwick. Aus dem untersten Drittel brechen in Harvard genauso viele Studierende ihr Studium ab wie in Hartwick.
    Lassen Sie das einen Moment lang auf sich wirken. In Hartwick gibt es eine Gruppe von leistungsstarken Studierenden – nennen wir sie die Hartwick-Stars. Und in Harvard gibt es eine Gruppe von leistungsschwachen Studierenden – die Harvard-Loser. Beide Gruppen

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