David und Goliath
arbeiten mit denselben Lehrbüchern, beide müssen in Kursen wie Analysis und Organische Chemie denselben Stoff bewältigen, beide schlagen sich in diesen Kursen mit denselben Problemen herum, und beide bringen dazu mehr oder weniger dieselben Voraussetzungen mit. Die Mehrheit der Hartwick-Stars geht am Ende des Studiums mit einem Diplom in Biologie oder Ingenieurwesen ab. Doch die Harvard-Loser, die eine deutlich renommiertere Universität besuchen, werden während ihres Studiums derart demoralisiert, dass sie die Naturwissenschaften an den Nagel hängen und in ein anderes Fach wechseln. Die Harvard-Loser sind kleine Fische in einem sehr großen und sehr angsteinflößenden Teich. Die Hartwick-Stars sind dagegen große Fische in einem kleinen und anheimelnden Teich. Um einen Abschluss in einem naturwissenschaftlichen Fach zu bekommen, ist offenbar mehr als Können nötig. Der entscheidende Faktor ist, wie intelligent sich die Studierenden im Vergleich zu ihren Kommilitonen fühlen.
Dieses Muster bestätigt sich übrigens an fast allen Universitäten, unabhängig von ihrem Ansehen. Die Soziologen Rogers Elliot und Christopher Strenta verglichen elf Universitäten in den Vereinigten Staaten – sehen Sie selbst:
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Welche Kriterien hätte Caroline Sacks also anlegen sollen, als sie sich zwischen Brown und der University of Maryland entschied? Brown war eine angesehene Universität, an der sie interessante und reiche Kommilitonen kennenlernen würde. Die Beziehungen, die sie dortknüpfen würde, und der Name »Brown« auf ihrem Abschlusszeugnis würden ihr auf dem Arbeitsmarkt einen Vorsprung verschaffen. Das sind die klassischen Vorteile des großen Teichs; Brown ist der Salon.
Sie ging allerdings auch ein Risiko ein. Die Wahrscheinlichkeit, nicht mit einem naturwissenschaftlichen Abschluss abzugehen, war deutlich größer. Wie groß genau? Nach einer Untersuchung von Mitchell Chang wird die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ein mathematisch-naturwissenschaftlich-technisches Studium abschließt, umso größer, je niedriger der SAT-Durchschnitt der Universität, und zwar um 2 Prozentpunkte pro 10 SAT-Punkte. 36 Je intelligenter die Kommilitonen, umso dümmer fühlt man sich selbst, und je dümmer man sich fühlt, umso eher bricht man ein naturwissenschaftliches Studium ab. Da die durchschnittlichen SAT-Ergebnisse der University of Maryland und der Brown University 150 Punkte auseinanderliegen, zahlte Sacks einen hohen Preis dafür, dass sie sich gegen eine gute und für eine sehr gute Universität entschied: Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihr naturwissenschaftliches Studium abschließen würde, verringerte sich um sage und schreibe 30 Prozent. In einer Zeit, in der Studierende mit einem geisteswissenschaftlichen Abschluss nur mit Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt unterkommen, haben Studierende mit einem mathematischen, naturwissenschaftlichen oder technischen Studienabschluss beinahe eine Garantie auf einen guten Einstieg ins Berufsleben und können unter attraktiven Angebote wählen. Das ist ein hoher Preis für ein Studium an einer renommierten Universität.
Sehen wir uns ein weiteres Beispiel für die unerbittliche Logik des großen Teichs an. Nehmen wir an, Sie sind eine Universität und wollen eine Professorenstelle unter den besten Hochschulabsolventen vergeben. Wie entscheiden Sie sich? Sollten Sie nur Absolventen der angesehensten Universitäten einstellen? Oder sollten Sie alle Jahrgangsbesten in Betracht ziehen, egal wo sie studiert haben? Die meisten Universitäten entscheiden sich für Ersteres. Einige Hochschulen prahlen sogar damit, dass sie nur Absolventen der besten Universitäten einstellen. Ich hoffe, dass Sie inzwischen ein bisschen skeptisch geworden sind. Sollte ein großer Fisch aus einem kleinen Teich nicht mindestensgenauso interessant sein wie ein kleiner Fisch aus einem großen Teich?
Die beiden Strategien lassen sich ganz einfach vergleichen. John Conley und Ali Sina Önder haben einen Vergleich von promovierten Wirtschaftswissenschaftlern angestellt. In den Wirtschaftswissenschaften gibt es eine Handvoll Fachzeitschriften, die in der Zunft großes Ansehen genießen. Diese Zeitschriften veröffentlichen nur die besten und kreativsten Forschungsberichte und Wirtschaftswissenschaftler werden vor allem danach bewertet, wie viele Artikel sie in diesen Zeitschriften veröffentlicht haben. Das heißt also, wir müssen nur vergleichen, wie viele Artikel die
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