Davide
heute. Hat sowas gesagt wie
dass sie in die Personalabteilung muss was abgeben oder so. Mehr wissen wir
hier auch nicht!“
Antonio
hatte gedankt, aufgelegt und dann ein paar Augenblicke wie vor den Kopf
geschlagen dagesessen und aus dem Fenster gestarrt. Ironischerweise hatte ihn
die flapsige, ungepflegte Ausdrucksweise von Emmas Kollegen fast ebenso auf die
Palme gebracht wie der Inhalt seiner Worte. Er hatte zwar längst gewusst, dass
getratscht wurde und sich schon gefragt, wie Emma das nur ausgehalten hatte in
den letzten Wochen. Er hatte allerdings nicht mit dem Ausmaß an Unverschämtheit
gerechnet, das ihm da begegnet war.
„Wie
sie das ausgehalten hat frage ich mich inzwischen auch!“, stieß Davide wütend
zwischen den Zähnen hervor, „und dabei dürfte das nur die Spitze eines ziemlich
schmutzigen Eisbergs gewesen sein! Mit Sicherheit wurde sie tagtäglich mit noch
ganz anderen Dingen konfrontiert! Na, die können sich in Zukunft warm anziehen!“
„Mhm“,
Antonio stöhnte leise. Er hatte Magenschmerzen und schämte sich. Er hatte auch dazugehört! An diesem Morgen hatte Davide ihn unbewusst über sein
falsches Bild von Emma aufgeklärt, seither quälte ihn sein schlechtes Gewissen.
Aber
wie hätte er auch ahnen sollen, dass Gandolfo zum ersten Mal seit Jahren völlig
unerwartet und ganz gegen seine Gewohnheiten einmal nicht die übliche Wahl
getroffen hatte. Emma war überraschenderweise eine intelligente und aufrichtige
Frau, damit konnte nicht einmal er, Antonio, rechnen!
„Dein
Liebesleben“, fuhr er nun fort, um sich wieder etwas von sich selber
abzulenken, „war immer schon interessant in der Stadt, aber wenn man direkt mit
deiner aktuellen Flamme zusammenarbeitet, bietet das natürlich einen gewissen
Zündstoff!“
„Ja,
ja, das ist mir inzwischen auch klar geworden! Aber wo ist sie und wann kommt
sie?“
Nun,
da er endlich auf dem Weg war, alle Details, die er kannte, aufzulisten, ließ
Antonio sich nicht mehr von seiner ausführlichen, dadurch aber auch etwas umständlichen
Gangart abbringen.
„Danach
habe ich in der Personalabteilung angerufen und ab hier musst du mir mit
Informationen weiterhelfen, ich kenne mich nämlich überhaupt nicht mehr aus!“
„Warum?
Was ist los, verdammt noch mal, Junge, rede endlich Klartext mit mir!“ Gandolfo
wurde nun langsam unruhig. Warum redete Antonio ganz gegen seine sonstige
präzise Art diesmal ständig um den heißen Brei herum?
„Also,
die Personaler haben mir gesagt, Emma sei am frühen Vormittag bei ihnen
gewesen, habe ihr Kündigungsschreiben abgegeben und um sofortige Freistellung
gebeten. Sie hat ihre Unterlagen abgeholt, um ein Zeugnis ersucht und dann hat
sie noch ein Päckchen dort gelassen mit der Bitte, es dir persönlich
auszuhändigen. Da liegt es, ein Bote hat es gebracht, kurz bevor du zurückkamst!“
Angespannt
hielt er inne und wies mit dem Kinn auf ein braunes Kuvert, das in der Mitte
aufgewölbt war und somit eindeutig mehr als nur Papier enthielt.
„Du
sagtest doch, ich solle ihr kündigen, weil du Pläne mit ihr hättest! Wieso hat
sie das jetzt selber gemacht? Es wäre doch viel vorteilhafter gewesen, wenn sie
das uns hätte erledigen lassen, oder? Hattest du das so mit ihr besprochen?“
Davide
starrte ihn unverwandt an. Die Anspannung war ihm jetzt deutlich anzumerken.
Etwas in ihm weigerte sich, das Kuvert zu nehmen und zu öffnen. „Was noch?“
„Ich
habe daraufhin versucht, sie anzurufen, aber zuerst ging sie nicht ans Telefon
und dann kam immer nur die Mitteilung dass sie nicht erreichbar sei. Ich
verstehe jetzt langsam, ehrlich gesagt, gar nichts mehr! Was hattest du mit ihr
vereinbart? - Außer dass ich dir für das Ferragosto-Wochenende ein paar
Kleinigkeiten organisiert habe, konnte ich heute nichts auch nur ansatzweise
erledigen!“
Davide
antwortete nicht, stand jedoch auf und ging langsam, sehr langsam um seinen
Schreibtisch herum. Dort ließ er sich schwer und müde auf seinen Stuhl sinken
und starrte einen Moment lang das Päckchen an, das ihm von der Mitte des
Tisches aus entgegensah. Etwas in ihm weigerte sich noch immer, an den
gestrigen Abend anzuknüpfen und den Faden weiterzuführen, den er – wie er sich
eingestehen musste – bewusst als offenes Ende hatte baumeln lassen wollen. Viele
seiner heutigen Aktivitäten hatten sich um Emma gedreht und nun lag hier etwas,
das er schlicht und einfach am liebsten ignoriert hätte.
Schließlich
ging ein sichtbarer Ruck durch ihn. Er
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