Davide
vergaß Antonios Gegenwart im Zimmer und
griff nach dem Kuvert, riss es mit einer heftigen Bewegung auf und schüttete
seinen Inhalt vor sich auf den Schreibtisch. Aus seinem Gesicht wich alle
Farbe, als er auf die Gegenstände starrte, die mit einem leisen, fast
höhnischen Klirren aus dem Umschlag fielen.
Vor
ihm lagen Emmas Autoschlüssel, und zwar alle samt Ersatz- und Werkstattausgabe,
ihr Handy und das Fußkettchen, das er ihr zwei Abende zuvor geschenkt hatte.
Ein
Mehr an Deutlichkeit konnte es nicht geben.
Sein
Kopf fühlte sich hohl und leer an. In ihm schien alles zu erstarren.
Emma
hatte ihn verlassen!
Das,
was er wohl unbewusst den ganzen Tag gespürt, was er einfach nur verdrängt
hatte, von dem er nichts hatte wissen wollen, was er beiseite geschoben und
ganz besonders in dem Gespräch mit Nino Pavone nicht hatte wahrhaben wollen,
war tatsächlich eingetreten.
Emma
hatte ihre Beziehung beendet.
Und
eigentlich wusste er nicht einmal genau, warum.
Eine
eiskalte Schlinge begann sich langsam um sein Herz zuzuziehen, trotz der Wärme
in seinem Büro wurden seine Hände und Füße kalt. Er konnte spüren, wie ein eisiger
Schweißtropfen zwischen seinen Schulterblättern den Rücken hinunter rann und
sich irgendwo unterwegs in ein glühendes Messer verwandelte, das durch seine
Eingeweide schnitt. Sein Mund war staubtrocken und sein Hirn wie leergefegt.
Nichts an ihm funktionierte mehr.
Nach
ein paar endlosen Augenblicken der Lähmung sah er auf. Antonio hatte diskret
und schweigend das Büro verlassen, nachdem ihm anhand des Inhalts dieses
ominösen Umschlags und Gandolfos Reaktion darauf ein düsteres Licht aufgegangen
war. Draußen vor den Fenstern strahlte der Tag erbarmungslos einem prachtvollen
Sommerabend entgegen.
„Unmöglich!“,
schoss es Davide durch den Kopf, „es müsste doch jetzt eigentlich stockfinster
und neblig sein, es müsste regnen und stürmen!“
Die
Welt um ihn herum war der reine Hohn auf sein Innenleben und obwohl er wusste,
dass er handeln musste, dass er weiterleben würde, dass die Welt nicht
untergehen und ihn gnädig mitnehmen konnte, fühlte er sich so, als könne er nie
wieder in seinem Leben einen klaren Gedanken fassen.
Und
tatsächlich – das nächste, was er tat, war Emma anzurufen und ihm war schon
klar, was passieren würde, noch ehe es geschah.
Das
Handy vor ihm auf dem Tisch begann lautlos zu vibrieren.
Davide
hatte erst nach einer kurzen, aber intensiven Phase der Betäubung umfassend
realisiert, was die drei Gegenstände für eine Bedeutung hatten. Emma hatte
treffsicher die symbolträchtigsten Dinge aus all seinen von ihr meist nur unter
Prostest akzeptierten Geschenken herausgepickt und nun klimperten sie leise in
seiner Jackentasche vor sich hin bei jeder Bewegung, die er machte.
Das
Auto, hatte sie ja längst klargestellt, das Auto war nur geliehen und er würde
es im Falle einer Trennung zurückerhalten. Damit erklärten sich die Schlüssel
und das hieß damit auch eindeutig Trennung.
Über
das Telefon war sie für ihn erreichbar gewesen, und nur für ihn, wenn er es
wollte, immer und überall. Er hatte es ihr geschenkt und darauf bestanden, dass
sie es annahm. Es war eins von diesen neuen, modernen Geräten, das alles
konnte, sogar telefonieren, und Emma hatte immer weitestgehend vermieden, es zu
benutzen. Die Nummer kannte nur Davide und auch sie rief nur ihn damit an. Das
war der zweite Hinweis auf das Ende.
Schließlich
seine Liebesgabe vom Abend der Party, als sie noch ausgelassen über ihre
gegenseitigen Zugehörigkeiten und erotischen Besitzverhältnisse geschäkert
hatten.
Bei
der Erinnerung daran blieb ihm fast die Luft weg vor Schmerz und Ernüchterung.
Dass sie das Fußkettchen nicht behalten hatte, war für ihn der eindeutigste Beweis
für ihre Absichten, denn es hing noch viel näher und unmittelbarer mit ihrer
intimen Beziehung zusammen, als irgendetwas sonst, das er ihr geschenkt hatte.
Es ihm zurückzugeben, und vor allen Dingen auf diese kalte, nüchterne Art und
Weise zurückzugeben, war noch vielsagender als alles andere!
Einen
Augenblick lang war er wie gelähmt und versuchte, wieder einigermaßen ruhig und
gleichmäßig zu atmen. Es fiel ihm schwer, sich die nächsten Tage und Wochen, ja
selbst die nächsten Stunden ohne Emma vorzustellen. Auch wenn sie sich nicht
täglich gesehen hatten, weil seine Verpflichtungen es nicht zuließen und sie
sich erfolgreich gegen seinen gesellschaftlichen Pflicht-Marathon der
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