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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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eigenen, sondern alle zusammen in einem gemeinsamen Rhythmus. Das war es, was von oben
     wie das Wogen eines Meeres gewirkt hatte.
    David jedoch nahm keine Rücksicht auf die selbstverliebten Bewegungen der Tanzenden, sondern bohrte sich hartnäckig zwischen
     sie, bog die Leiber auseinander, als wolle er sich einen Tunnel durch sie hindurchgraben.
    Wenn die Menschen hinter ihm wieder zusammenklatschten, hatte Flo ihre Gesichter oftmals unmittelbar vor Augen. Eine seltsame
     Stumpfheit in ihrem Blick fiel ihm auf. Als wäre hinter ihren Pupillen eine hauchdünne, aber blickundurchlässige Membran gewachsen,
     die verhinderte, dass die Seele in diesen Körpern wahrnahm, was um sie herum passierte.
    Endlich hatten sie das Zentrum der Halle hinter sich. Auf der anderen Seite ging die düstere Tanzkathedrale in eine lichtdurchflutete
     Ruhezone über. Hier lungerten die Menschen ausgelaugt und erschlafft in der warmen Luft auf dem Boden, erholten sich von den
     stundenlangen Exzessen oder ließen einfach die Zeit verrinnen.
    Flo fiel ein gewaltiges Rechteck auf, das an einer Wand der Ruhezone vom Boden bis fast unter die Decke reichte. Zuerst hielt
     er es für ein recht eintöniges, abstraktes Gemälde. Bei näherem Hinsehen aber erkannte er, dass es sich um eine Art Fenster
     handelte. Durch das meterdicke Glas hindurch blickte man direkt in die Spree! An seiner unteren Kante schloss das Fenster
     mit dem Bett des verschmutzten Flusses ab, in seinem oberen Drittel ragte esjedoch über die Wasseroberfläche hinaus, so dass Flo sogar ein Stück des schwarzen Nachthimmels sehen konnte. Dort, wo das
     Fenster in das Wasser des Flusses hinausging, war zwar nicht viel zu erkennen, doch der Effekt war erstaunlich. Die Farben
     des Flusses wirkten wie ein abstraktes Gemälde, dessen Schöpfer eine Reise in die Abstufungen und Schattierungen von Brauntönen
     unternommen hatte. Zugleich war der bildliche Eindruck jedoch viel lebendiger als bei einem Gemälde, da sich die schmierigen
     Wasserschlieren unentwegt miteinander vermengten, einander durchflossen, umspülten und durchdrangen. Eine schleppende, unaufhörliche
     Bewegung, die entfernt an das Wogen der Tanzenden in der Halle erinnerte.
    Flo ließ den Blick über die anderen Gäste schweifen. Ihm fiel eine Gruppe auf, die sich gegenüber vom Spreefenster ein Plätzchen
     an der Wand gesucht hatte. Erst erkannte er nicht genau, was dort vor sich ging, doch dann sah er es. Es waren zwei Männer.
     Sie hatten Sex mit einer Frau. Direkt neben all den anderen Leuten, die sich darum nicht weiter scherten. Das Gesicht des
     Mädchens war von Schweiß verschmiert, dem Jungen, den sie zwischen den Beinen hatte, hing die Hose unter den Pobacken. Der
     andere, auf dessen Bauch sie lag, hatte ihr einen Daumen in den Mund gebohrt und versuchte, ihren Kopf so weit nach hinten
     zu biegen, dass er ihr auch seine Zunge in den Mund schieben konnte. Doch das schien sie nicht zu wollen, denn immer wieder
     drehte sie den Kopf zur Seite. Rhythmisch bewegten sich die drei ineinander verkeilten Leiber auf und nieder wie eine sechsbeinige
     Spinne.
    Flo musste grinsen. »Was für ein Scheiß, Mann.«
    David lachte. »Komm, es geht noch weiter.« Er deuteteauf eine aluminiumverkleidete Röhre, die aus der Chillout-area hinausführte. »Siehst du den Tunnel dort?«
    Als sie die Röhre betraten, zeigte sich, dass die aufwendige Ausstattung der Haupthalle hier endete. Nach wenigen Schritten
     kam unter der billigen Aluverkleidung roher Beton zum Vorschein. Kurz dahinter versperrte ein gelblicher Plastikvorhang den
     Weg. David schlug einen Lappen des Vorhangs zur Seite. Der weitere Verlauf des Tunnels lag im Dunkeln.
    Flo hielt ihn zurück. »Von mir aus können wir uns das auch ein andermal ansehen.«
    Doch David schüttelte den Kopf. »Komm schon!«
    Sie setzten ihren Weg fort. Tiefer und tiefer schien sich der Betontunnel wie ein modriger Korridor in den Untergrund der
     Stadt zu bohren.
    Neben sich hörte Florian, wie David zu ihm sprach. Seine Stimme war leiser geworden, aber je mehr Flo ihr lauschte, desto
     bedrohlicher erschien ihm diese Stimme. Als schnitte ihm jedes Wort ins Gehirn, als sezierten die Sätze seine Gedanken. »Ich
     bin gespannt, was du sagst, Flo«, sagte er. Und: »Ich hoffe, ich hab nicht zu viel versprochen.«
    Schweigsam stolperte Flo weiter.
    »Was ist, Mann, antwortest du mir nicht mehr?«, hakte David nach.
    Überrascht sah Florian zur Seite. Bei dem schwachen Licht,

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