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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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dessen letzte stumpfe Strahlen durch den gelblichen Plastikvorhang
     bis hierher drangen, konnte er gerade noch Davids Silhouette erkennen.
    Flo suchte nach Worten. Was war nur los? Er kam sich vor wie auf einem Irrweg in eine Richtung, in der nurnoch mehr Verwirrung und auch Bosheit lagen, die sich noch hinzuaddieren würden zu dem bedrückenden Gefühl, das ihn ohnehin
     schon quälte. Was konnte er David sagen? Seinem alten Freund, der sich inzwischen so weit von den Vorstellungen und Träumen
     entfernt hatte, die sie einmal geteilt hatten.
    Da sah er, dass David den Kopf ein wenig gewendet hatte. Das schwache Restlicht, das hier noch schien, erhellte seine Züge.
     Und er bemerkte, dass Davids Gesicht all das verloren hatte, was ihm daran einmal vertraut gewesen war.
    Im selben Augenblick beugte sich David nach unten. »Lass es uns hinter uns bringen«, murmelte er und zog an einem Hebel, der
     dicht über dem Boden an einer Luke angebracht war.
    Mit einem feinen Zischen hob sich ein kreisrunder Deckel. David klappte ihn auf und kletterte durch die Luke hindurch. Flo
     hinterher.
    Die Luke führte in eine pechschwarze, niedrige Höhle. Ein Raum, der nicht nur schlecht beleuchtet war, sondern in dem es schlichtweg
     keine einzige Lichtquelle mehr gab. Die Luft war zum Schneiden, statt Musik war nur ein schleichendes Gurgeln zu hören, das
     mehr darauf ausgerichtet schien, sich in der Bauchhöhle zu verfangen, als über die Ohren ins Bewusstsein zu dringen. Flo konnte
     die eigene Hand nicht vor Augen sehen, spürte jedoch, dass sich zahlreiche Menschen in dem schwarzen Loch befinden mussten.
     Er roch sie, fühlte ihre Anwesenheit, nahm die Spannung wahr, die von ihnen ausging.
    Plötzlich packte ihn jemand am Arm. Es war David. Sehen konnte Florian ihn nicht. Aber hören. David zischteihm ins Ohr. »Das sind auch Menschen hier drinnen. Stimmt’s, Flo?«
    Florian schwirrte der Kopf. Die Dunkelheit lastete wie ein Albdruck auf ihm. Mühsam rang er nach Luft. Sauerstoff schien hier
     unten keiner zu sein. Der Schweiß rann ihm den Rücken hinab. David hielt seinen Arm fest. Er sprach immer noch leise, aber
     die unverhohlene Wut, die sich in ihm zusammenzuziehen schien, verlieh seiner Stimme eine Intensität, die Florian beinahe
     schmerzte.
    »Und wir sind alle gleich, ja?«, sagte er, und plötzlich glaubte Flo, Davids Augen im Dunkeln aufblitzen zu sehen.
    Er zuckte zurück und entriss seinen Arm der Umklammerung. »Bist du jetzt endgültig übergeschnappt?«, herrschte er ihn an.
     Laut brach sich seine Stimme in der schwarzen Höhle Bahn. Er spürte, wie die anderen, die sich hier unten befanden, ihre Köpfe
     in ihre Richtung drehten. Er ruderte durchs Dunkel, um David zu fassen zu bekommen, erwischte eine Schulter.
    »Was soll das David, das ist doch alles verworrenes Zeug! Tauch auf, lass dieses Grauen hinter dir. Was du sagst, was du versuchst
     – das ist nichts als trostloser Wirrwarr, voller Kummer und Entsetzen.« Er senkte seine Stimme. Er wollte nicht, dass die
     Umstehenden alles mitbekamen. »Glaubst du wirklich, du bist was Besseres, David? Das ist doch Wahnsinn!«
    Auch David hielt seine Stimme gesenkt. »Du kannst sie nicht sehen, Flo. Aber die Menschen hier unten sind zum Teil seit Wochen
     in diesem Loch. Erst sind sie eher zufällig hineingeraten, sie waren neugierig und wollten nach kurzer Zeit wieder gehen.
     Aber dann war es, als sauge sich das Loch an ihnen fest. Je länger sie blieben,desto mehr schwand ihr Wille, wieder zu gehen. Sie blieben Stunden. Tage. Wochen. Irgendwann wollten sie nicht mehr heraus.
     Es war, als hätte ihnen die Höhle den Willen aus den Knochen gesaugt. Wenn du sie sehen könntest, würdest du erschrecken.
     Der Aufenthalt hier drinnen frisst sie langsam auf.«
    Flo lauschte der Stimme in zunehmender Verwirrung. Je mehr er hörte, desto drängender wurde sein Wunsch, aus diesem verdammten
     Loch so schnell wie möglich wieder herauszukommen.
    David zog ihn noch näher zu sich heran. »Wir sind alle gleich? Dann bleib doch hier. Oder ist das hier nicht deine Welt?«
    Ein Gefühl der Panik begann Florians Brustkorb zusammenzuschnüren. »Lass uns endlich verschwinden, Mann!« David musste genau
     vor ihm sein. Er spürte seinen Atem. Sehen konnte er nichts.
    »Du willst hier raus?«, hörte er Davids Stimme. »Du hast Glück. Du kannst es noch wollen. Die meisten hier unten nicht mehr.«
    Im selben Augenblick spürte Florian, wie eine Hand aus dem Dunkeln nach

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