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Davids letzter Film

Davids letzter Film

Titel: Davids letzter Film Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonas Winner
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schlimmer. Erst
     schienen seine Schuhe am Boden festzukleben, dann wieder fürchtete er, auf den glitschigen Kacheln auszurutschen. Eben wollte
     er David zurufen, dass er ja draußen auf ihn warten könne, da sah er, wie der andere in der hintersten Toilettenkabine verschwand.
    Flo blieb stehen. Wieder strich ihm der süßliche Gestank um die Nase. Sie sollten so schnell wie möglich hier verschwinden,
     entschied er. Mit zwei Schritten war er an der Kabinentür, hinter der David verschwunden war, trat sie auf – und prallte zurück.
     Die Kabine war leer!
    Erst bei genauerem Hinsehen entdeckte er, dass in die gemauerte Seitenwand der Kabine ein Holztürchen eingelassen war, das
     weder Griff noch Klinke hatte, aber ein paar Millimeter weit offen stand. Er klemmte die Fingerkuppen hinter das Türchen und
     zog. Ein unverputzter Gang kam zum Vorschein.
    Flo musste sich ein wenig herunterbeugen, um durch die niedrige Türöffnung hindurch in den Gang zu gelangen. Eine Reihe vergitterter
     Kellerleuchten spendete diffuses Licht. Gleichzeitig hörte er eine entfernte Musik, die durch den Gang hindurch auf ihn zu
     wehte – während das Wummern der Disco jetzt in seinem Rücken war.
    Von David keine Spur.
    Er begann, den Gang hinunterzulaufen.
    »David?«
    Keine Antwort. Aber die Musik wurde lauter. Nach etwa zwanzig Schritten endete der Gang vor einer Öffnung im Boden. Eine eiserne
     Leiter führte senkrecht hinab. Die Musik kam von dort.
    Flo trat an den Rand der Öffnung und sah hinunter. Tief unten auf dem Boden des Schachts stand David und starrte nach oben.
    »Wo bleibst du denn?«
    Flo atmete auf. »Renn doch nicht so!«
    Er schwang sich auf die Leiter und kletterte vorsichtig Sprosse für Sprosse hinab. Je tiefer er kam, desto wärmer wurde es.
     Der Abstieg schien direkt in ein Heizkraftwerk zu führen. Als er unten ankam, sah er, dass auch David seinen Mantel aufgeknöpft
     hatte.
    »Wo sind wir hier?«
    »Auf dem Weg zu dem neuen Laden, hab ich doch gesagt. Die haben ein altes Kraftwerk umgebaut. Hast du davon noch nichts gehört?
     Eine Riesenanlage.«
    »Und der Eingang führt durchs Klo dieser Teenie-Disco?«
    David lachte. »Der Eingang ist auf der anderen Seite. Aber da hätten wir bestimmt zwei Stunden in der Schlange gestanden.«
    Florian wischte den Rost der Leiter von den Händen. Es kam ihm so vor, als hinge der Gestank der Klos noch immer in seinen
     Klamotten. »Na schön, gehen wir!«
    Sie liefen den Tunnel entlang, in den sie die Leiter geführt hatte. Mit jedem Schritt wurde die Musik, auf die sie zugingen,
     lauter. Der Tunnel führte direkt auf eine Eisentür zu. David zog einen Schlüssel aus der Tasche,schloss die Tür auf und öffnete sie. Dahinter befand sich eine Art Balkon, ein Balkon, der über eine gigantische unterirdische
     Halle ragte.
    Mit den Händen über den Ohren, um sie vor den betäubenden Bässen zu schützen, trat Flo an das Geländer des Balkons. Tief unter
     ihm war der Boden der Halle über und über mit Menschen bedeckt, die sich dem Wogen der Musik hingaben. Von oben wirkten sie
     fast wie eine amorphe Masse. Aus dieser Masse stiegen gewaltige Backsteinpfeiler wohl vierzig Meter hoch auf und trugen weit
     über den Köpfen der Tanzenden die Decke des kolossalen Gewölbes.
    Flo ließ die Hände sinken und hielt sich an dem Geländer fest. So etwas hatte er noch nicht gesehen. In den Ecken der Halle
     waren durch einen feinen Nebel hindurch zwei schwarze Türme zu erkennen, Teile der Musikanlage, die den Raum in ein Meer von
     Klängen tauchte. Aber die gewaltige Geräuschkulisse bestand nicht nur aus der Musik, sondern auch aus einem tausendfachen
     Geschwirr von Stimmen, die sich an der Decke brachen und die Musik wie ein Kribbeln unterlegten.
    Über eine Art Feuertreppe kletterten sie über mehrere Stockwerke hinab auf die Tanzfläche. Dort unten war die Luft vom Schweiß
     und Atem der Menschen dickflüssig wie Schlamm. Monatealter Zigarettenqualm hing über den Köpfen der Menge, schlich sich in
     Flos Haar, biss sich in seinen Augen fest. Als er sie rieb, trieb er ihn nur noch tiefer unter die Lider. Seine Augen begannen
     zu tränen.
    David drängelte sich durch die Tanzenden. War am Rand zwischen den einzelnen Gästen noch Platz gewesen, schmiegten sich die
     Menschen immer enger aneinander,je weiter sie ins Zentrum der Halle vordrangen. Die Musik schien die Tanzenden wie Marionetten vor sich her zu treiben. Keiner
     der Körper bewegte sich mehr in seinem

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