Davina
einen leichten Herzanfall erlitten. Er wurde in seine Wohnung gebracht, eine Krankenschwester wurde ihm beigegeben, und sofort begannen die Vorbereitungen für seinen Heimtransport. Er sollte zu Hause ärztlich behandelt werden und sich ausruhen. Der Botschafter suchte ihn am Krankenlager auf und drückte sein Bedauern aus; der Botschaftsarzt machte ein zweites EKG und erklärte ihn für reisefähig. Die sowjetischen Behörden wurden verständigt, und achtundvierzig Stunden später, als Barker in Begleitung einer Krankenschwester in eine nach London fliegende Maschine der British Airways gesetzt worden war, verständigte man das sowjetische Außenministerium, daß sein Posten von einem Mr. Jeremy Spencer-Barr übernommen werden würde.
Mr. Spencer-Barrs Papiere wurden überprüft und als in Ordnung befunden. Er stand auf der Liste des Foreign Office und hatte dort in den letzten zwei Jahren in der Wirtschaftsabteilung gearbeitet, nachdem er von einem Lehrgang an der Harvard Business School in den Vereinigten Staaten nach England zurückgekehrt war. Seine Herkunft: Oberschicht, wie sie im Buche steht. Verwandtschaft und Gönner im Establishment. Sein Name wurde in die Karteien aufgenommen. Am folgenden Tag wurde Elizabeth Cole abgelöst und nach Hause geschickt. Durch eine undichte Stelle in der Botschaft war bekannt geworden, daß sie mit Dissidenten in Verbindung gestanden haben sollte. Der politische Zweig des KGB, der in den militärischen integriert war, überprüfte alle vorhandenen Unterlagen über Elizabeth Cole und stieß dabei auf ihre verdächtigen, wöchentlichen Fahrten ins Kaufhaus ›Gum‹ und immer zum selben Café. Es wurde Weisung gegeben, die Person genau zu beschatten, die an ihre Stelle treten würde.
Jeremy Spencer-Barr stieg auf dem Flugplatz Scheremetjewo aus dem Flugzeug, und zwar genau eine Woche, nachdem Michael Barker begonnen hatte, einen ihm unerwartet vom Foreign Office gewährten Urlaub in Portugal zu genießen. Er hatte sich in seinem ganzen Leben noch nie so wohl gefühlt und brachte die plötzliche Attacke in Moskau samt Schmerzen und Schwindelgefühlen nie mit der Tasse Tee in Verbindung, die ihm eine der Sekretärinnen gebracht hatte. Spencer-Barr wurde auf dem Flugplatz von einem Botschaftswagen und von einem jüngeren Beamten der Wirtschaftsabteilung abgeholt. Seine Ankunft wurde von den sowjetischen Behörden genau vermerkt. Ihr Interesse an seiner Person war gering, denn der Ersatz für Elizabeth Cole kam mit demselben Flugzeug und fuhr mit demselben Wagen ab. Sie war ein besonders gut aussehendes Mädchen, das ebenso wie Jeremy in der Ankunftshalle heimlich fotografiert wurde. Als der Wagen zur Wirtschaftsabteilung der britischen Botschaft auf dem Kutusowski-Prospekt einbog, warf Jeremy durch das Fenster einen Blick auf seine neue, ihm noch fremde Umgebung und nahm sich vor, auf den Abteilungsleiter, für den er nach außen hin tätig sein würde, einen guten Eindruck zu machen. Jeremy achtete stets darauf, bei seinen Vorgesetzten eine gute Figur abzugeben, und er war fest entschlossen, aus seiner Versetzung nach Moskau im Interesse seiner späteren Karriere das Beste zu machen.
Humphrey Grant zog seine Jacke aus und ließ sich in einem Lehnstuhl nieder. Er streckte müde die Glieder von sich und seufzte. Dieser Ton war Ausdruck von Befriedigung. Er blickte zu John Kidson hinüber. Beide hatten einen Whisky und Soda neben sich stehen. Es war noch eine Stunde Zeit bis zum Abendessen, und sie hatten ihre Arbeitssitzung mit Sasonow beendet. Sie hatten die ersten sieben Tage hinter sich, und schon jetzt waren die Ergebnisse erstaunlich.
»So«, sagte Grant, »heute abend freue ich mich auf einen Drink. Und ich finde, wir haben ihn uns auch redlich verdient.«
»Allerdings«, meinte Kidson. »Er scheint sein Wissen von einer Rolle abzuspulen. Mir ist noch nie ein so detailliertes Gedächtnis begegnet.«
»Fotografisch«, pflichtete Grant ihm bei. »Je mehr wir fragen, desto schneller gibt er die Antworten, und noch mehr dazu. Es ist, als ob er sich geistig entleeren wollte.«
»Und emotional.« Kidson nahm einen Schluck Whisky. »Er steht unter einer starken inneren Spannung. Er hat seinen Entschluß gefaßt und will die ganze Sache möglichst schnell hinter sich bringen. Und er will ein für allemal zu einem Ende kommen, indem er mit nichts hinter dem Berge hält. Manchmal fragte ich mich, ob ihm das nicht alles zu leicht von den Lippen kommt.«
Grant sah ihn scharf an.
Weitere Kostenlose Bücher