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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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strahlender Morgen. Die Sonne hing wie eine goldene Kuppel am wolkenlosen Himmel. Die üppige Vegetation und die Palmen gaben ihnen ein Gefühl, aus Russland in ein tropisches Land gekommen zu sein. Sie gingen, Hand in Hand, mit ihren Koffern von der Endhaltestelle fort, und Passanten lächelten ihnen zu, weil sie glaubten, sie seien auf der Hochzeitsreise.
    Davina hatte einen langen Spaziergang gemacht. Die Morgendämmerung zeigte sich am Horizont, und der Sonnenaufgang ließ den Himmel erglühen. Weder am Strand noch auf den Straßen war ein menschliches Wesen zu sehen. Sie hätte der einzige Mensch auf der Welt sein können. Sie hatte das Alleinsein immer geliebt. Manchmal hatte sie sich gefragt, ob es vielleicht nur deshalb so war, weil sie keine andere Wahl hatte. Schon als Kind war sie ihre eigenen Wege gegangen. Bevor sie Sasonow begegnete, hatte sie sich nie einem anderen Menschen angeschlossen. Tag und Nacht, Wochen und Monate war sie ihm allmählich näher gekommen und war seiner nicht ein einziges Mal überdrüssig geworden. Sie wanderte an dem silbrigen Strand am Rande des Meeres entlang und hatte das Gefühl, als bestehe zwischen ihnen eine geheimnisvolle Verbindung – hervorgerufen durch das Land, das er so sehr liebte. Er würde Russland nie wieder sehen, aber die Einsamkeit des Exils würde für ihn erträglich werden, wenn erst einmal seine Tochter bei ihm war und er die Hoffnung auf den Austausch seiner Frau nicht aufzugeben brauchte. Die Hoffnung hielt ihn am Leben. Auch sie mußte hoffen, daß ihre Flucht gelingen würde und daß Harrington bezüglich des Schiffes recht behalten würde, daß es ihre Retter waren, die sie am frühen Morgen im Mondschein auf dem Meer hatte herankommen sehen.
    Wie würde sich ihr eigenes Leben gestalten, wenn sie wieder zu Hause war? Sie konnte nicht vor der Tatsache davonlaufen, daß sie Iwan Sasonow liebte. Sie mußte sich damit abfinden und ihr künftiges Leben darauf einrichten. Wieder Einsamkeit, diesmal auf spezielle Art, als ob man ein Loch in ihren Leib gestanzt hätte und das Herz herausgefallen wäre. Sehnsucht, die sie nachts nicht schlafen ließ. Sie war der Preis für das, was sie jetzt tat, und dieser Preis war vereinbart worden, bevor sie abfuhr. »Sie müssen verstehen, daß Sie ihn nie wieder sehen können …« James White, der ihr ruhig und klar sein Ultimatum stellte. Das steinerne Gesicht von Grant. »Sie haben sich selbst zum Narren gemacht; es kann so nicht weitergehen.« Und sie hatte es akzeptiert … »Das weiß ich. Ich weiß, zwischen uns beiden ist es aus. Ich bitte Sie nur noch, daß Sie mich nach Russland fahren lassen, um seine Tochter herauszuholen.« So lautete die Vereinbarung, und es gab kein Zurück mehr.
    Sie hatte das Dokument unterzeichnet. Sie hatte ihre Arbeit; keine glänzende Laufbahn mehr, die war nach der Affäre mit Sasonow vorbei. Aber genug, um sie zu interessieren und um ihr Unabhängigkeit zu geben. Und ihr blieb die Erinnerung an jene acht Monate und an den Augenblick, als er sich im Garten von Marchwood zu ihr gewandt und gesagt hatte: »Ich will Ihre Schwester nicht.« Sie wollte nicht weinen; die salzige Luft trocknete die Tränen, und ihre Wangen fühlten sich steif an. Sie hatte schlecht geschlafen, und ihre Nerven waren in Erwartung des kommenden Tages zum Zerreißen gespannt. Auch Harrington merkte man die Nervosität an; er trank viel.
    Er hatte sich seit der Abreise aus England verändert. Nicht nur, wenn er die Rolle des Heinz Fleischer spielte, was ihm großartig gelang. Aber wenn sie allein waren, hatte das sonst so humorvolle Wortgeplänkel einen hohlen Klang; unter der Oberfläche lauerte die Wut. Er schien durch den Ausflugsdampfer aus dem Gleichgewicht gebracht worden zu sein, als fühlte er sich durch dessen Auftauchen betrogen. Auf dem Landweg werden sie sie nie hinausbringen … Sie blieb plötzlich stehen, während eine kleine Welle über ihre Füße rann. Sie … es war höchst merkwürdig, daß er dieses Wort in Bezug auf sich selbst und sie benutzte. Sie empfand einen kleinen Stich, als wäre ein winziger Dorn unter ihre Haut gedrungen. Sie wies den Gedanken von sich und setzte den Spaziergang fort, bis es Zeit war umzukehren, um im Hotel mit ihm zu frühstücken.
    Als sie durch die Tür trat, ließ ihr ein junger Mann den Vortritt. Er hatte ein Mädchen bei sich; es hatte blonde Haare und sah auf eine einfache Weise sehr anziehend aus. Beide hatten Koffer in der Hand. »Vielen Dank«,

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