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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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nie zuvor in ihrem Leben, am liebsten wäre sie blindlings davongerannt. Aber es gab keinen Ort, an dem sie Zuflucht hätte finden können. Da waren nur der goldene Strand und die Sonne und die zahlreichen Russen und die Touristen, die es sich gut gehen ließen. Und Peter Harrington, der neben ihr dahinschritt. Er versuchte, Verdacht auf den jungen Mann zu lenken und auf Spencer-Barr, der sie gewarnt hatte. Er wußte nicht, daß Poliakow den KGB-General getötet hatte. Er belog sie bewußt, um Poliakow zu diskreditieren. Alles, was er sagte, war Lüge. Sie sahen die beiden unter dem grünen Baldachin an einem Tisch vor dem Café sitzen. Hand in Hand saßen sie dicht beieinander.
    »Halte dich dicht bei dem Mädchen«, sagte Harrington plötzlich. »Ich will ihn beiseite nehmen und mich unter vier Augen mit ihm unterhalten, bevor wir gemeinsam das Schiff besteigen. Nach dem Lunch, okay?«
    »Um welche Zeit fährt der Ausflugsdampfer ab?« fragte Davina. Sie mußte sich räuspern, bevor sie in natürlichem Ton sprechen konnte.
    »Um fünf Uhr«, sagte er. »Ich finde, wir sollten zum Mittagessen ins Hotel zurückkehren. Ich besorge die Fahrscheine.«
    »Gut«, sagte Davina. Sie kam zu dem Tisch, an dem Alexei und Irina saßen. Sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich rasch nieder, weil ihre Knie nachzugeben drohten. Sie rang sich ein Lächeln ab und sagte auf deutsch zu Irina: »Haben Sie einen schönen Spaziergang gehabt?«
    »Ja«, erwiderte sie. »Hier ist es wunderschön. Meine Eltern haben hier oft ihren Urlaub verlebt.«
    Peter Harrington beugte sich zu ihr hinüber und sagte in besorgtem Ton: »Sagen Sie – was gibt es Neues von Ihrer Mutter?«
    Davina lehnte sich zurück. Sie sah Tränen in Irinas Augen. Diese wandte sich plötzlich an Davina und erklärte auf deutsch: »Wir sprechen von meiner Mutter. Ich habe diesen Brief von ihr bekommen.«
    Davina sah, daß Harrington den Brief nahm und ihn in seine Jackentasche steckte. Er erklärte im Flüsterton: »Bei mir ist er besser aufgehoben. Wenn etwas schief geht, darf er nicht bei ihr gefunden werden.« Er streckte seine Hand über den Tisch und drückte die des Mädchens. Poliakow hörte ihnen zu und nickte. Er himmelte das Mädchen an. Er hatte den abscheulichen Wolkow umgebracht, dabei sah er wie ein Poet aus. Er flüsterte Irina etwas zu, worauf diese sich über ihre feuchten Augen strich und lächelte. Obwohl Davina die Worte nicht verstand, spürte sie zwischen den beiden eine Innigkeit, die sie zutiefst rührte. Und die Aufrichtigkeit von Irina Sasonowa und Alexei Poliakow machte die Falschheit des Mannes noch deutlicher, der ihnen gegenüber saß. Die falsche Freundlichkeit, das falsche Mitgefühl. Sie war Zeuge eines Auftritts, der ebenso vorausberechnet war wie die Übernahme seiner ostdeutschen Identität. Er hatte die eine Maske abgelegt und sich eine andere aufgesetzt. Ihr wurde übel, während sie ihn beobachtete. Das KGB hatte einen Informanten. Alle ihre Planungen waren bekannt, nur nicht die Mittel und Wege zur Flucht. Und jetzt kannte Harrington den Plan, Harrington besaß den kompromittierenden Brief von Sasonows Frau; Harrington wollte die Passage für den Ausflugsdampfer buchen. Harrington, der sich kaum wahrnehmbar versprochen hatte, als er ›sie‹ sagte, während er über seinen Einsatz redete. Harrington, der sie belogen hatte und nervös wurde, weil er noch keine Informationen hatte, die er hätte weitergeben können. Er stand dem jungen Mann feindselig gegenüber, weil er damit gerechnet hatte, es nur mit zwei Frauen zu tun zu haben, die ihm volles Vertrauen entgegenbrachten. Und er wollte sich mit dem Dozenten irgendwo unter vier Augen unterhalten. Es war vorauszusehen, daß dieser nicht wieder auftauchen würde und daß sie ohne ihn an Bord des Schiffes gehen würden. Sie erschauderte, ihr brach der kalte Schweiß aus, und wieder drohte die Panik sie zu übermannen.
    »Fehlt dir etwas?« Er neigte sich zu ihr und schien wieder ganz der alte, liebenswerte Peter Harrington zu sein. Er legte ihr die Hand auf den Arm. »Du siehst etwas abgespannt aus …«
    Sie lächelte ihn an – ein gezwungenes halbes Lächeln, das ihr auf den trockenen Lippen weh tat. »Es sind nur die Nerven«, versuchte sie ihm nach einer Weile klarzumachen. »Ich wünschte, wir wären erst einmal unterwegs.«
    »So geht es uns allen«, sagte er. »Lass uns ins Hotel zurückgehen und dort essen. Es hat keinen Sinn, bis fünf Uhr hier nur so

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