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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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zu sein schien. Sasonow hörte aufmerksam mit und lächelte gleichzeitig, während Mrs. Graham beschrieb, wie man Ableger von Nelken gewinnt.
    »Tyrannisiert er dich? Oder wickelst du ihn um den kleinen Finger, wie es jede gute Sekretärin tun sollte?«
    »Niemand tyrannisiert mich, Vater«, antwortete sie. »Und ich kann dir versichern – der Brigadier läßt sich von niemandem um den kleinen Finger wickeln.«
    Es hatte nicht so scharf klingen sollen, aber es klang scharf. Dafür hielt man sie also … für Whites Sekretärin. In den Augen ihrer Familie war sie eine alte Jungfer … tüchtig, energisch und geschlechtslos. Er begann das Rätsel allmählich besser zu verstehen, während er im Kreis ihrer Familie saß. Er trank seinen Wein aus und merkte, daß Charleys Hand sich sanft auf seinen Arm legte. Sie neigte sich an ihm vorbei, und der erregende Duft wurde stärker.
    »Mama, du darfst Pawel nicht ganz mit Beschlag belegen – lass auch mich mal etwas sagen.«
    »Tut mir leid«, entschuldigte sich Mrs. Graham bei ihm. »Ich liebe meinen Garten und komme vom Hundertsten ins Tausendste, wenn mir jemand zuhört. Ich werde Sie morgen herumführen, wenn es das Wetter erlaubt.«
    »Darauf freue ich mich sehr«, sagte Sasonow.
    Er besaß außerhalb von Moskau eine kleine Datscha in einem Ort namens Schukowa. Das war eines der Privilegien, das ihm nach Rang und Bedeutung zustand. Fedja und seine Tochter Irina verbrachten die Wochenenden dort draußen; sie unternahmen lange Spaziergänge, auf denen Irinas Hund, vor freudiger Aufregung laut bellend, neben ihnen hersprang. Aber sie hatten keinen Garten. Kein so gepflegtes Kunstwerk wie die Gartenanlagen, die er von der Terrasse in Marchwood aus gesehen hatte. Die Erinnerung an die Datscha ließ ihn für einen Augenblick seine Umgebung vergessen. Er konnte die Kiefernwälder und die klare, frische Luft förmlich riechen. Er empfand einen kurzen, stechenden Schmerz.
    Er hob den Blick und sah, daß Davina Graham ihn beobachtete. Die Hand ihrer Schwester lag noch auf seinem Arm, während sie mit ihm sprach. Er lächelte und hörte gar nicht zu. Statt dessen schaute er zu Davina hinüber, die sich über seine Reaktionen klar zu werden versuchte. Sie besaß eine stille Zurückhaltung, die ihn manchmal reizte, dann aber auch wieder seine Nerven beruhigte. Ihre Augen ließen normalerweise nicht erkennen, was in ihr vorging; sie ließ sich nur das anmerken, was er sehen durfte. Aber jetzt hatte ihr Gesicht etwas maskenhaft Trauriges, und ihr höfliches, kleines Lächeln machte einen gequälten Eindruck. Er bewegte seinen Arm, so daß die weiße Hand ihrer Schwester von ihm abglitt. Er wandte sich Harry Graham zu und hob sein Glas.
    »Auf den schönen Garten Ihrer Frau. Und auf ihre reizenden Töchter.«
    Charley reagierte auf das Kompliment mit einem leise gemurmelten »Ich hoffe, Sie werden von beiden noch mehr kennenlernen.«
    »Mutter«, sagte Davina, »meinst du nicht, wir sollten Pawel und Vater ein bißchen allein lassen?«
    »Ja, natürlich.« Beide Männer erhoben sich, als die drei Frauen den Raum verließen.
    Captain Graham brachte eine Karaffe mit Portwein und zwei Gläser an den Tisch und nahm neben Sasonow Platz. »Ich habe auch Brandy, wenn Ihnen das lieber ist, aber dieser hier ist ein recht guter Cockburn's '62.« Er schien angenehm berührt, als sich sein Gast für den Port entschied. »Finden Sie es sehr indiskret, wenn ich Sie frage, was Sie von unserer jetzigen Regierung halten? Sie werden sicher einiges an ihr auszusetzen haben, aber ich hätte gern einmal die Meinung eines Außenstehenden gehört. Und ich habe das ganz bestimmte Gefühl, daß in Polen die Freundschaft mit Großbritannien tief verwurzelt ist – wir haben im Krieg schließlich Seite an Seite gekämpft.«
    »Ja, das stimmt«, pflichtete ihm Sasonow bei. Captain Graham machte es sich bequem; er befand sich in bester Stimmung.
    Davina ging in ihr Zimmer. Sie legte etwas Puder auf, weil sie fand, sie sei zu blaß; dann sah sie im Spiegel ihre Schwester in der Tür stehen. Sie drehte sich um.
    »Davy«, fragte ihre Schwester, »kann ich hineinkommen?«
    Das war der Grund, warum sie die männliche Abkürzung ihres Namens nicht leiden konnte. Charley benutzte sie immer.
    »Selbstverständlich«, erwiderte sie, »ich bleibe nur eine Minute hier.«
    »Macht nichts«, sagte ihre Schwester, »ich will mich sowieso nicht zurechtmachen. Ich wollte nur die Gelegenheit nutzen, um mit dir zu

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