Davina
sagte, daß du und Charley an diesem Wochenende herkommen würdet.«
»Sicher«, sagte Davina. Ihre Mutter bemerkte den Anflug von Sarkasmus nicht oder, falls er ihr auffiel, sie missachtete ihn und fuhr fort:
»Ihm gefällt dein Freund Pawel, ich finde, er ist ganz reizend – ich erinnere mich noch an einige der polnischen Armeeoffiziere während des Krieges – sie waren so schneidige junge Männer. Wir haben uns alle in sie verliebt …« Sie blickte weder auf noch unterbrach sie ihre Näharbeit. »Ist da irgend etwas zwischen euch – etwas Ernstes?«
»Nein, Mutter«, sagte Davina. »Charley hat mich dasselbe gefragt. Wir sind bloß gute Freunde, das ist alles. Er fühlt sich in London recht einsam, und da habe ich mir gedacht, er würde euch vielleicht gerne kennenlernen und einmal ein Wochenende in einer englischen Familie verbringen. Fang bloß nicht an, mich mit Pawel verkuppeln zu wollen – um Himmels willen.«
»Natürlich nicht«, erwiderte Mrs. Graham. Sie legte den Stickrahmen beiseite. »Davina, liebes Kind, der Beruf ist doch nicht alles. Du solltest daran denken zu heiraten. Es muß doch in London ein paar nette Männer geben – du kannst jeden, den du magst, herbringen. Das weißt du doch.«
Davina legte ihrer Mutter die Hand auf den Arm. »Ja, das weiß ich«, sagte sie. »Mach dir um mich keine Sorgen, ich bin vollkommen glücklich. Ich habe ein ausgefülltes Leben.«
»Ist es immer noch Richard?« Die hellblauen Augen blickten besorgt.
»Nein«, sagte Davina und schüttelte den Kopf. »Darüber bin ich seit langem hinweg.«
»Bist du noch böse auf Charley? Ich habe das Gefühl, daß zwischen euch ein angespanntes Verhältnis herrscht. Ich wünschte, ihr könntet das alles vergessen und wieder so unbefangen wie früher miteinander sein. Blut ist dicker als Wasser, und ihr seid schließlich Schwestern.«
»Wir kommen schon zurecht, Mutter«, erklärte sie. »Er war es nicht wert, sonst wäre er nicht gleich mit ihr auf und davon gegangen. Ich denke gar nicht mehr daran.«
»Da bin ich wirklich froh«, sagte ihre Mutter. »Hoffentlich lernt sie bald jemanden kennen und gründet eine Familie. Ich dachte, Brian wäre die Lösung – aber er denkt offenbar nur an seine Karriere. Er hat Charley wirklich unglücklich gemacht.«
»Das ist traurig«, sagte Davina.
Ihre Schwester unterhielt sich mit Sasonow. Er und ihr Vater lachten über etwas, was sie gesagt hatte. Sie hatte ihn nie so laut lachen hören. Sie spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. »Er mag dich. Er sieht dich immer wieder an.« Charleys Worte gingen ihr wieder durch den Kopf. Waren sie spöttisch oder gönnerhaft gemeint – sie wußte es nicht. Er hatte jetzt nur Augen für ihre Schwester, und es war nicht nur sein Lachen – er schien sich überhaupt in Hochstimmung zu befinden. Ein Mann aus Fleisch und Blut, der auf die Herausforderung einer begehrenswerten Frau eingeht.
Im Zimmer war es erstickend heiß. Zu dieser Jahreszeit war ein Kaminfeuer wirklich nicht nötig. Sie hatte ihm eine Frau angeboten. Warum war sie gekränkt, wenn er selbst eine fand? Eifersucht, schalt sie sich. Du bist eifersüchtig, weil es deine Schwester ist. Du hast ihm eine Dirne über den Sicherheitsdienst zuführen wollen. Weil du nicht den Mut hattest, selbst zu ihm zu gehen. Denk daran, wie wütend er war und wie du beinahe den sorgfältig eingeübten Pas de deux, den du in den letzten fünf Monaten wie einen Schattentanz mit ihm aufgeführt hast, aus dem Gleichgewicht gebracht hättest. Er wollte nicht bloß Sex. Er wollte dich, und du hast einen Rückzieher gemacht. Jetzt hast du ihn an Charley verloren. Wie Richard, der dich sitzenließ, um sie zu heiraten. Wie alle Männer, die sie bisher kennen gelernt hatte.
Sie stand auf und ging hinüber zu der Gruppe am Kamin. Sie schob ihre Hand unter Sasonows Arm und sah den überraschten Ausdruck auf dem Gesicht ihres Vaters. Sie lächelte ihm und ihrer Schwester zu.
»Ich mache jetzt mit Pawel einen Mondscheinspaziergang«, verkündete sie, »hier drin ist es so stickig.«
Charley und ihr Vater waren so überrumpelt, daß sie sich einen Augenblick wortlos anstarrten. Davina hatte noch nie vor anderen irgendeine Zuneigung zu einem Mann erkennen lassen. Sie hatte auch Richard, als sie noch verlobt waren, niemals so für sich beansprucht, wie sie es jetzt mit dem Polen tat. Davina unternahm einfach keine Mondscheinspaziergänge mit Männern.
»Wie romantisch«, sagte ihre
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