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Davina

Titel: Davina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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begangen, indem er sich von einem nahe gelegenen Felssprung mit Namen Beachy Head in die Tiefe gestürzt habe. Der schon stark verweste Leichnam sei in einer Felsspalte hängen geblieben und erst jetzt durch die Brandung herausgespült worden. Der Oberst habe unter Depressionen gelitten und sei, bevor er mit der Handelsdelegation die Sowjetunion verließ, ärztlich behandelt worden. Der Tote werde zur Bestattung nach Russland übergeführt.
    »Gut«, sagte Davina, »damit ist deine Akte geschlossen.« Sie reichte ihm die englische Zeitung mit der Überschrift auf der zweiten Seite – Leichnam des Sowjetobersten gefunden.
    »Offiziell bin ich also tot«, bemerkte Sasonow. »Selbstmord – ich verstehe. Und ich werde zur Bestattung in die Heimat transportiert. Was ist mit meiner Familie? Sie werden die Geschichte glauben – sie werden keinem eurer Leute, der sich ihnen nähert, Vertrauen entgegenbringen.«
    Er warf das Blatt beiseite. »Euer Geheimdienst sitzt mit dem unsrigen im selben Boot«, sagte er wütend. »Beide haben sich geeinigt, daß jeder sein Gesicht wahrt, indem eine Leiche vorgezeigt und erklärt wird, es sei die meinige. Unser Geheimdienst glaubt, ich sei in Halldale verbrannt, und dein Chef tut so, als stimmte das. Das war nicht vereinbart.«
    »Der Brand war noch nicht passiert«, erklärte sie. »Der Leichnam mußte wahrscheinlich vorzeitig freigegeben werden. Mach dir wegen deiner Familie keine Sorgen. Man wird Kontakt mit ihnen aufnehmen und ihnen die Wahrheit sagen. Aber wir müssen zunächst Erkundigungen einziehen – jeder übereilte Schritt könnte alles zunichte machen.« Sie zögerte, fand aber dann, es sei besser, wenn er auch mit der Möglichkeit eines Fiaskos rechnete.
    »Angenommen, wir erhalten eine abschlägige Antwort«, sagte sie. »Angenommen, deine Frau und deine Tochter wollen nicht herüberkommen? Du darfst dir nicht zu große Hoffnungen machen. Du bist seit acht Monaten fort. Das kann eine lange Zeit sein, wenn man allein ist und unter Verdacht steht.«
    Er blickte stirnrunzelnd zu ihr auf. »Ich kenne meine Familie. Meine Frau wußte, was ich plante, obwohl ich nie mit ihr darüber gesprochen habe. Sie wußte, als ich nach England abflog, daß ich nicht zurückkommen würde. Sie hat sich nicht gegen mich gewendet. Auch meine Tochter nicht. Sie werden kommen.«
    Er nahm die Zeitung auf und begann zu lesen. Davina widersprach ihm nicht. Sie wußte, daß über diesen Punkt mit ihm nicht zu reden war. Seine Familie würde kommen. Und damit basta. Sie ging hinaus und stellte eine Einkaufsliste zusammen.
    Sie wohnten in einem Häuserblock bei Shepherds Bush. Der Block gehörte der Abteilung des Brigadiers und wurde von seinen Leuten verwaltet. Menschen kamen und gingen wieder nach kurzem Aufenthalt; Außenstehende erhielten dort nie eine Wohnung. Nach der Rückkehr von Halldale hatten sie ihr ein anderes Auto zur Verfügung gestellt. Zu ihrer Überraschung waren sie und Sasonow mitten in London angewiesen worden, in das Begleitfahrzeug umzusteigen. Einer der Sicherheitsbeamten hatte ihren Wagen weggefahren. Die Vorsichtsmaßregeln wurden sehr streng gehandhabt. Sasonow durfte die Wohnung bei Tageslicht nicht verlassen. Bewegung in frischer Luft mußte er sich bei Nacht verschaffen, und wohin er mit Davina auch ging, immer wurden sie von zwei bewaffneten Männern beschattet. Die Atmosphäre zwischen ihnen wurde immer angespannter. Sie hatten jetzt viel weniger Freizeit als in Halldale, und Sasonow ärgerte sich über die Einschränkungen.
    Er las noch einmal die Story über die Entdeckung der Leiche … Begräbnis in Russland … Er konnte sich die Qualen seiner Frau und seiner Tochter vorstellen, und der kalte Zorn stieg in ihm hoch. Was hatte Davina gemeint, als sie von übereilten Schritten sprach? Ihre Bemerkung, acht Monate seien eine lange Zeit, hatte ihn schwer getroffen. Er vertraute seiner Frau, aber niemand kannte besser als er die Pressionen, denen unschuldige Verwandte ausgesetzt waren, wenn sich ein Familienmitglied dem Staat gegenüber illoyal verhalten hatte. Vielleicht waren sie nicht stark genug gewesen. Vielleicht würden sie den Ersatzleichnam hinnehmen und sogar froh sein, an seinen Tod glauben zu dürfen, um ein neues Leben anfangen zu können. Übereilte Schritte könnten alles zunichte machen. Aber man durfte auch nicht zu lange warten. Er war nicht bereit, wegen der britischen Übervorsicht alles aufs Spiel zu setzen. Es schien ihm mehr als

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