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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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Nationalsozialisten in der zweiten Jahreshälfte 1942 immer häufiger öffentlich verlauten ließen, für den Fall einer deutschen Niederlage drohe die Vernichtung des deutschen Volkes durch die von »den Juden« angeführte feindliche Koalition. Der Krieg wurde zum Kampf um Sein oder Nichtsein zwischen Deutschen und Juden stilisiert; implizit oder explizit galt die Vernichtung der Juden damit als Notwehr angesichts der gegen das eigene Volk gerichteten Vernichtungsabsicht des Erzfeindes. Unterstrichen wurden solche Aussagen häufig mit Schilderungen von Massakern, Kindesraub und Vergewaltigungen, die im Falle einer Niederlage zu erwarten seien. In der Propaganda der Täter wurde also die eigene Verfolgungspraxis auf die andere Seite übertragen; die Opfer erschienen nicht als Opfer, sondern als potenzielle Täter, vor denen man sich legitimerweise schützen musste.
    Sehr deutlich und plastisch entwickelte etwa Göring diesen Gedankengang in einer Rede, die er am 5. Oktober 1942 in Berlin aus Anlass des Erntedankfestes hielt; sie wurde im Rundfunk übertragen und in der Presse nachgedruckt:
    »Und noch eines möchte ich dem deutschen Volke sagen und in Ihr Herz einbrennen. Was würde denn das Los des deutschen Volkes sein, wenn wir diesen Kampf nicht gewinnen würden? […] Sie haben ja gelesen, was man mit unseren Kindern vorhätte, was mit unseren Männern gemacht würde. Unsere Frauen würden dann eine Beute der wollüstigen hasserfüllten Juden werden. Deutsches Volk, du musst wissen: Wird der Krieg verloren, dann bist du vernichtet. Der Jude steht mit seinem nie versiegenden Hass hinter diesem Vernichtungsgedanken, und wenn das deutsche Volk diesen Krieg verliert, dann wird dein nächster Regent Jude. Und was Jude heißt, das müsst ihr wissen. Wer die Rache Judas nicht kennt, der lese sie nach.
    Dieser Krieg ist nicht der zweite Weltkrieg, dieser Krieg ist der große Rassenkrieg. Ob hier der Germane und Arier steht oder ob der Jude die Welt beherrscht, darum geht es letzten Endes und darum kämpfen wir draußen.
    Wir kennen die Juden. […] Mag der Jude sich auch verschiedene Visagen aufsetzen, seine Gurke kommt doch durch. Der Jude ist hinter allem, und er ist es, der uns den Kampf auf Tod und Verderben angesagt hat. Und darin mag sich keiner täuschen und glauben, er könne nachher ankommen und sagen: Ich bin immer ein guter Demokrat unter diesen gemeinen Nazis gewesen. Der Jude wird euch die richtige Antwort geben, ganz gleich, ob ihr sagt, ihr seid der größte Judenverehrer oder Judenhasser gewesen. Er wird den einen wie den anderen behandeln. Denn seine Rachsucht gilt dem deutschen Volke. Was reinrassig, was germanisch ist, was deutsch ist, will er vernichten. […] Und darüber mache sich nur keiner jemals eine falsche Vorstellung: dieser Krieg wird gewonnen, weil er gewonnen werden muss.« 9
    Das Argument, dass es im Falle einer Niederlage keine Zukunft für das deutsche Volk gebe, wurde wieder und wieder vorgebracht. Robert Ley sprach davon im Juli 1942 vor Rüstungsarbeitern, 10 Hitler in seiner Rede aus Anlass des 9. November 1942, 11 und Propagandaminister Goebbels gab seinen Mitarbeitern im Januar 1943 folgende »Grundsätze« bekannt: »1. Wir können und müssen diesen Krieg gewinnen. 2. Wenn wir diesen Krieg verlieren, würde jedem von uns der Hals durchgeschnitten.« 12
    Göring unterstrich in einer im Rundfunk übertragenen Rede aus Anlass des zehnten Jahrestages der Machtergreifung im Januar 1943: »Nun, diesmal geht es nur darum, ob das deutsche Volk endgültig als deutsches Volk vernichtet wird, und die infernalischen Vernichtungsgedanken auf der anderen Seite sind ja in den Hirnen drin. Es ist ja der Jude, der drüben führt. Man muss nur ein einziges Mal den Juden in seinem alttestamentarischen Hass kennen, dann weiß man, was uns blüht – ah, wenn der Jude an uns Rache nehmen könnte, was glaubt Ihr, was mit Euren Frauen, Euren Töchtern, Euren Bräuten usw. geschehen würde? Was glaubt Ihr, wie dieser teuflische Hass, dieses Bestialische sich im deutschen Volk austoben würde.« 13
    Die Presse räumte solchen Drohungen immer wieder Platz ein, nicht nur in der Berichterstattung über Reden der Parteiprominenz. So behauptete etwa der Völkische Beobachter am 3. November 1942, Kriegsziel Roosevelts und Churchills sei die »Deportation oder Unschädlichmachung der deutschen Jugend«, und in einem Leitkommentar des Angriffs vom 14. Januar 1942 schrieb Robert Ley: »Würde der Jude siegen,

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