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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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wirkten. So kommentierte die Zeitung beispielsweise im März 1942 Meldungen über zunehmenden Antisemitismus in Großbritannien wie folgt: »Der Nationalsozialist kann in solchen Erscheinungen nur eine Rechtfertigung seiner eigenen entschiedenen Politik gegenüber dem Judentum sehen.« 30
    Bemerkenswert ist, dass insbesondere die Parteipresse 1942 zum Teil recht ausführlich auf die Verfolgung der Juden in mit Deutschland verbündeten oder von ihm besetzten Ländern einging und dabei auch die Deportationen – die im Hinblick auf das Reich als Tabu behandelt wurden – keineswegs verschwieg. Auf den ersten Blick wirkt diese Propagandapraxis merkwürdig und inkonsequent.
    So berichtete die NS-Presse beispielsweise ausführlich über die Judenverfolgung in der Slowakei, also desjenigen Verbündeten des Deutschen Reiches, der am entschlossensten war, die deutsche »Judenpolitik« zu übernehmen. Dabei kam auch die Tatsache zur Sprache, dass die slowakischen Behörden seit März 1942 Juden in großer Zahl deportierten.
    Die Krakauer Zeitung , das zentrale deutsche Presseorgan im Generalgouvernement, befasste sich im Frühjahr 1942 – und zwar auch in seiner für das Reichsgebiet bestimmten Ausgabe – besonders ausführlich mit den antijüdischen Maßnahmen in der Slowakei. 31 So konnte der Leser beispielsweise am 3. April 1942 einer Artikelüberschrift entnehmen, es würden »täglich 1000 slowakische Juden über die Grenzen des Landes geschafft«. Die in Belgrad erscheinende Donauzeitung , die ebenfalls sehr intensiv über die antijüdischen Maßnahmen in der Slowakei berichtete, meldete am 15. Mai 1942, es seien bisher »insgesamt 35 000 Juden aus der Slowakei ausgesiedelt«, das Land solle bis zum Herbst des Jahres vollkommen »judenfrei« sein. 32
    Aber auch der Leser des Völkischen Beobachters , der nicht in der gleichen Ausführlichkeit über die Judenverfolgung in der Slowakei informiert wurde, stieß am 11. April 1942 auf folgende Information: »Zahlreiche [slowakische; P. L.] Juden versuchen, dem Abtransport oder dem Arbeitslager durch Flucht nach Ungarn zu entgehen.« Am 2. Juni 1942 zitierte die Zeitung unter der Überschrift »Die slowakischen Dörfer werden judenrein« eine Verfügung des »mit der Lösung der Judenfrage in der Slowakei betraute [n] Zentralwirtschaftsamt[s]«, wonach die Juden ihre bisherigen Wohnsitze aufgeben und in die Bezirksstädte umsiedeln müssten. Am 31. Oktober 1942 hieß es, der »mit der Judenaussiedlung betraute Oberrat im slowakischen Innenministerium«, Anton Vasek, habe »im Auslandspresseklub in Pressburg bemerkenswerte Feststellungen über die Entwicklung des Kampfes des slowakischen Volkes gegen das Judentum und über den gegenwärtigen Stand der Lösung dieser Frage« gemacht. Der Artikel referierte ausführlich Vaseks Behauptungen über den erdrückenden jüdischen Einfluss in der Slowakei und die bisher getroffenen antijüdischen Maßnahmen seiner Regierung, einschließlich der Aussage, es seien »bisher vier Fünftel der slowakischen Juden ausgesiedelt« worden, der »Rest« sei überwiegend »in Zwangsarbeitslagern konzentriert«. 33 Zweieinhalb Monate später, am 11. Januar 1943, wiederholte der Völkische Beobachter – erneut unter Berufung auf Vasek – diese Angaben über den Stand der Deportationen aus der Slowakei: Danach würden bis zum Ende des Jahres 1942 78 Prozent der Juden »ausgesiedelt«. 34 In anderen Zeitungen, zum Beispiel im Angriff , waren gleichfalls Informationen über die Deportationen aus der Slowakei zu finden. 35
    Über die Judengesetzgebung in Rumänien berichtete der Völkische Beobachter im Februar 1942 und kündigte an, »bis die Auswanderung möglich sein wird, soll das Judentum für praktische Arbeit umgeschult werden«. 36 Die Krakauer Zeitung meldete am 4. März 1942, die Bukarester Juden, die ihrer Arbeitspflicht nicht nachkämen, würden »im Frühjahr in das von den Rumänen besetzte Gebiet jenseits des Dnjestr deportiert werden«; 37 auch die Belgrader Donauzeitung verfolgte die antijüdischen Maßnahmen in Rumänien recht intensiv. 38 Dann wieder ging es um die antijüdische Gesetzgebung in Ungarn, namentlich die Enteignung jüdischen Besitzes im Lande und die »Entjudung« des öffentlichen Lebens. 39 Die Deutsche Allgemeine Zeitung stellte in ihrer Berichterstattung klar, dass nach Auffassung der ungarischen Regierung das »Judenproblem« nur »durch eine allerdings jetzt nicht zu verwirklichende Entfernung von 800 000 Juden

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