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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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würde das deutsche Volk mit Mann und Maus, mit Kind und Kegel ausgerottet und vernichtet.« 14
    Über die konkreten Maßnahmen wurde indes, wie von der Propaganda angeordnet, geschwiegen. Auf den Pressekonferenzen spielte das Thema Antisemitismus 1942 nur eine untergeordnete Rolle. Gelegentlich wurde den Journalisten nahe gelegt, jüdische Themen für Polemiken unterschiedlichster Art gegen die Kriegsgegner zu verwenden, 15 doch von Äußerungen und Spekulationen über die deutsche »Judenpolitik« solle die Presse tunlichst Abstand nehmen, wie zahlreiche Verbote des Propagandaministeriums unmissverständlich klar machten.
    Am 7. Februar 1942 hieß es etwa in der Tagesparole des Reichspressechefs: »Über die Judenfrage in den besetzten Ostgebieten ist nicht zu berichten. Amtliche Meldungen der deutschen Zeitungen in den Ostgebieten sind nicht zu übernehmen.« 16 Am 25. Februar wurde die Presse informiert, es sei in »einer süddeutschen Zeitung […] über den Arbeitseinsatz der im Ghetto Warschau untergebrachten Juden berichtet worden. Derartige Berichte sind unerwünscht.« 17 Berichte aus Pressburg, so der Vertreter des Auswärtigen Amtes vor der Presse am 26. März 1942, wonach »die Judenfrage dort in hohen Touren aufgegriffen werde«, seien nur als »Tatsachenmeldungen« zu bringen und nicht zu kommentieren. 18 Am 11. Juni 1942 hieß es auf der Pressekonferenz: »Die im Protektorat getroffenen Strafmaßnahmen gegen die Unterstützer der Heydrich-Mörder [der am 4. Juni den Folgen eines Attentats vom 27. Mai erlegen war; P. L.] sind in der Reichspresse nicht aufzugreifen.« Noch am gleichen Tag folgte die Weisung: »Veröffentlichungen über die Kennzeichnung jüdischer Wohnungen oder überhaupt Veröffentlichungen über Maßnahmen gegen die Juden sind verboten.« 19
    Entsprechend brachten der Völkische Beobachter und Der Angriff 1942 meist nur etwa ein bis zwei antisemitische Beiträge pro Woche, in einigen Monaten sogar noch weniger, in anderen Monaten nur geringfügig mehr. 20 Auch in anderen Propagandamedien wurde die Judenverfolgung 1942 kaum mehr oder gar nicht angesprochen. Die Wochenschauen griffen das Thema 1942/43 nur einmal kurz auf, 21 in den – meist als Vorfilm gezeigten – Dokumentarstreifen überhaupt nicht. 22 In der von der Partei verbreiteten Wandzeitung Parole der Woche waren antisemitische Motive zwar noch immer sehr präsent, im Vergleich zum Vorjahr jedoch rückläufig. 23 Über die Bedeutung des Themas in den – allerdings während des Krieges insgesamt zugunsten der Unterhaltung zurücktretenden – politischen Sendungen des Rundfunks lässt sich leider keine präzise Aussage machen. Allerdings zeigen die Protokolle der täglich im Propagandaministerium abgehaltenen Konferenz, dass das Medium Rundfunk in vollem Umfang in die jeweils aktuelle Ausrichtung der Propaganda einbezogen war; wir können daher annehmen, dass die Ausfälle der antijüdischen Propaganda auch im Radio stattfanden.
    Sieht man sich die inhaltlichen Schwerpunkte der antisemitischen Pressepropaganda in diesem Zeitraum näher an, so ist zwar evident, dass die Parteipresse nie müde wurde zu betonen, dass »alle Schlüsselpositionen der UdSSR von Juden besetzt« seien, 24 doch trat die Polemik gegen den »jüdischen Bolschewismus« in diesem Zeitraum hinter die »Demaskierung« der angeblich von »den Juden« beherrschten Westmächte zurück.
    Vor allem die angebliche Abhängigkeit des britischen Kriegsgegners von »den Juden« war ein beliebtes Thema der Parteipresse; Großbritannien, so die Standardformel, führe »Krieg für die Macht der Juden«. 25 Dabei bildeten Berichte über jüdische Korruption, Dekadenz und Profitgier eine Nebenlinie dieser Angriffe. 26 Eine noch größere Rolle spielte 1942 in der Parteipresse jedoch wie gehabt die Polemik gegen den »im Dienste Judas« stehenden US-Präsidenten Roosevelt, über dessen angeblich jüdische Abstammung immer wieder spekuliert wurde. 27 Nach der Eroberung Nordafrikas durch britische und amerikanische Truppen im November 1942 kam eine neue Variation des Themas hinzu: Nun waren »die Juden« Roosevelts »Fünfte Kolonne« in Nordafrika. 28
    Die ehemals bürgerliche Presse schenkte dem antijüdischen Thema geringere Aufmerksamkeit, bediente allerdings die gleichen Themen wie die Parteipresse. 29 Der Frankfurter Zeitung gelang es allerdings immer wieder, die von ihr erwarteten antisemitischen Kommentare so zu formulieren, dass sie nicht als Meinung der Redaktion

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