"Davon haben wir nichts gewusst!"
versuchsweise eingeführte monatliche Lageberichterstattung für die Zukunft für verbindlich erklärt wurde. 29
Nach der Übernahme des Gestapa durch Himmler im April 1934 führte dessen Stellvertreter Heydrich im folgenden Monat die Erstellung von »Tagesberichten« durch die Stapostellen ein. Diesen war jeweils am 1. jeden Monats eine allgemeine Übersicht über die Stimmung der Bevölkerung, die politische Lage und den Stand der öffentlichen Sicherheit anzufügen. Das vorgegebene Gliederungsschema enthielt auch den Punkt »Juden und Freimaurer«. 30
Am 8. April 1936 ließ Heydrich die Berichterstattung der Gestapo auf Wunsch des Preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring einstellen. 31 Dieser hatte kritisiert, in der Berichterstattung würden »vielfach vereinzelte Unzuträglichkeiten oder örtliche Schwierigkeiten unnötig in den Vordergrund gestellt oder auch örtlich begrenzte Erscheinungen verallgemeinert«. Da die Berichte einem größeren Personenkreis zugänglich seien, »entsteht so die Gefahr, dass die Lageberichte selbst zur Verschlechterung der Stimmung beitragen«. Nicht nur das »grandiose Wahlergebnis« – der so genannten Reichstagswahlen vom März 1933 – beweise, »dass das deutsche Volk die Grundgedanken der Politik des Führers und Reichskanzlers durchaus erfasst hat, sie restlos bejaht und in keiner Weise geneigt ist, sich durch die großenteils unvermeidbaren Unannehmlichkeiten des täglichen Lebens in seinem Vertrauen zum Führer erschüttern zu lassen«. Hinzu komme, dass »die Partei die Stimmung im Volke weit besser kennt und beurteilen kann, als dies der Bürokratie der Behörden möglich ist«.
An einer systematischen Meinungsbefragung im Sinne der modernen Demoskopie hatte Göring kein Interesse. Ihm ging es vielmehr um die Ausrichtung des äußeren Erscheinungsbildes des »Dritten Reiches« an nationalsozialistischen Normen. Ihre primäre Aufgabe, an diesem Prozess positiv mitzuwirken und die Stimmung zu heben, hatte die Berichterstattung nur unzureichend erfüllt; stattdessen hatte sie sich zu einem Forum für Informationen und Auffassungen über bestimmte Missstände, zu einer Art Ersatz-Öffentlichkeit entwickelt.
Die Gestapo-Berichte enthalten eine Fülle von Details: nicht nur zahlreiche Informationen zur Judenverfolgung, sondern auch, als Bestandteil der umfassend angelegten »Gegnerbeobachtung«, die Reaktionen tatsächlicher oder potenzieller Gegner auf die Verfolgung der Juden. Nach dem Ende der monatlichen Lageberichte im Frühjahr 1936 wurde die Berichterstattung der Gestapo im Übrigen durch Ereignismeldungen und Tagesmeldungen ausgebaut. 32
Die Berichte der Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten: Mit den Gestapo-Berichten waren Reporte der inneren Verwaltung verkoppelt. Die preußischen Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten wurden durch einen Erlass vom Mai 1933 angewiesen, periodisch an das Preußische Innenministerium und an das Geheime Staatspolizeiamt zu berichten. 33 Nachdem Göring im Juli 1934 bestimmt hatte, dass die Gestapo-Berichte in Kopie auch an die Ober- und Regierungspräsidenten zu senden waren, übernahmen die Präsidenten diese vielfach in ihre Berichte. 34 Ebenfalls im Juli 1934 führte das Reichsinnenministerium die direkte Berichterstattung der preußischen Ober- und Regierungspräsidenten sowie der Innenministerien der übrigen Länder an das Ministerium ein. 35
Die gesamte Berichterstattung der mittleren Verwaltungsbehörden wurde jedoch wie die Gestapo-Berichte im April 1936 auf Grund der bereits erwähnten Entscheidung Görings eingestellt. Nicht betroffen von dieser Regelung war Bayern, das traditionell über eine eigenständige periodische Berichterstattung der Mittelbehörden verfügte. Die Berichte der Bayerischen Regierungspräsidenten liegen für den gesamten Zeitraum 1933 bis 1945 fast vollständig vor. Sie wurden bis Juli 1934 halbmonatlich, dann monatlich erstellt. Monatsberichte der Bayerischen Politischen Polizei sind darüber hinaus für den Zeitraum Januar 1936 bis November 1937 überliefert. 36
Lageberichte der Justiz: Auf mündliche Anordnung des Reichsjustizministers Gürtner vom 23. September 1935 und eine schriftliche Verfügung vom 9. Dezember 1935 hin erstellten die Generalstaatsanwälte und die Präsidenten der Oberlandesgerichte abwechselnd jeweils zweimonatlich Berichte, in denen insbesondere die Entwicklung der Kriminalität, das Verhältnis der Justiz zur Partei und die Lage der Justiz behandelt
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