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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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Höhepunkt, sank dann erneut auf zwei bis drei Beiträge pro Woche ab, um ab dem August 1937, vor allem aber seit November 1937 wiederum anzusteigen. Dieses Verlaufsmuster lässt sich auch bei der übrigen Parteipresse beobachten. 4
    Eine nähere Auswertung der deutschen Presse in den Jahren 1936 und 1937 zeigt, dass in diesem Zeitraum neben den üblichen antisemitischen Polemiken vor allem die Lage in Palästina stark im Vordergrund der Berichterstattung stand. Insbesondere die Parteipresse ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, die seit dem Frühjahr 1936 immer heftigeren Zusammenstöße zwischen Juden und Arabern im antisemitischen Sinne zu interpretieren. Artikelüberschriften wie »Wieder jüdische Morde in Palästina« oder »Blut fließt im Judenland« sind dafür typisch. 5
    An einem Ende der jüdischen Einwanderung nach Palästina war das Regime indes nicht interessiert. Die offizielle, für die Haltung der Parteipresse verbindliche Position lässt sich einem Kommentar Alfred Rosenbergs im Völkischen Beobachter vom 5. Juni 1936 entnehmen: Die britische Regierung wurde zwar kritisiert, weil sie einseitig die zionistische Position unterstütze und legitime arabische Interessen vernachlässige; dennoch stellte sich Rosenberg hinter den in der Balfour-Deklaration von 1917 zum Ausdruck kommenden Gedanken einer »jüdischen Heimstatt« – wobei er betonte, dass dies keinesfalls mit der Errichtung eines exklusiv jüdischen Staates zu verwechseln sei. 6 Gegen den im Juli 1937 veröffentlichten Peel-Plan 7 zur Teilung Palästinas ging die Presse denn auch vor: Die geplante Errichtung eines unabhängigen jüdischen Staates, so wurde man nicht müde zu betonen, entspreche in keiner Weise den Interessen NS-Deutschlands. 8 Die britische Palästina-Politik wurde polemisiert, die Unterstützung der jüdischen Seite durch die britische Mandatsmacht scharf kritisiert, und »die Juden« erschienen in wachsendem Maße als die eigentliche Ursache des Konflikts. 9
    Im Schatten des Olympiajahrs ging das am 4. Februar 1936 von David Frankfurter, einem jüdischen Studenten, verübte Attentat auf den Landesgruppenführer der NSDAP in der Schweiz, Wilhelm Gustloff, nahezu unter. Zwar holte die Parteipresse anfangs durchaus mit wütenden Ausfällen gegen die angeblichen jüdischen beziehungsweise marxistischen »Hintermänner« zu einer neuen antisemitischen Kampagne aus, angesichts der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen nur zwei Tage nach dem Attentat versagten sich die Blätter jedoch weitere Attacken. 10 Diese Zurückhaltung währte gerade bis zum Abschluss der Spiele im August. Auf dem Parteitag vom September 1936 ereiferten sich sowohl Hitler als auch Goebbels und Rosenberg in ihren Reden gegen den »jüdischen Bolschewismus«, und die Parteipresse gab diese Passagen selbstverständlich in vollem Umfang und mit entsprechender Würdigung wieder. 11 Eine scharf antisemitische Passage aus Goebbels’ Parteitagsrede vom 10. September 1936 wurde in die Ufa-Wochenschau aufgenommen, und als der Propagandaminister Anfang Dezember aus Anlass der dritten Jahrestagung der Reichskulturkammer den Ausschluss der Juden aus dem Kulturleben pries, griff eine der Wochenschauen dies ebenfalls auf. 12
    In dieselbe Zeit fiel der Prozess gegen Frankfurter, ein willkommener Anlass für die Parteipresse, erneut in großer Aufmachung über die angeblichen »jüdischen Hintermänner« des Attentats zu berichten und – so eine Schlagzeile des Völkischen Beobachters – »Anklage gegen das Weltjudentum« zu erheben. 13
    Im März 1937 schoss sich die Parteipresse auf den New Yorker Bürgermeister Fiorello H. LaGuardia ein, der eine kritische Rede gegen das nationalsozialistische Deutschland gehalten hatte. Die Hetze gegen LaGuardia, der schon vorher den Zorn der Parteiblätter erregt hatte, erreichte damit ihren vorläufigen Höhepunkt. Der Völkische Beobachter titelte: »Ein schmutziger Talmudjude wird unverschämt. Der Oberbürgermeister von Neuyork als Hetzredner«, während Der Angriff vom gleichen Tag LaGuardia als »Neuyorks Obergangster« und »Judenlümmel« bezeichnete. 14
    Die nichtnationalsozialistische Presse zeigte sich im gesamten Zeitraum zwischen den Nürnberger Gesetzen und dem Beginn der erneuten antisemitischen Welle Ende 1937 weitaus zurückhaltender. Die meisten bürgerlichen Zeitungen verzichteten beispielsweise in ihrer Berichterstattung über das Gustloff-Attentat im Februar 1936 auf

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