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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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jüdischen Ausgangspunkt. Die Methoden und Ziele sind die gleichen.« 1
    Am 5. Juli gab die Pressekonferenz – nachdem Goebbels seine Mitarbeiter entsprechend eingestimmt hatte 2 – das »Startzeichen zu einer ganz großen Aktion«: der »Schwerpunkt muss darauf liegen, das verbrecherische, jüdische, bolschewistische Regime anzuprangern«. Die Presse wurde aufgefordert, ausführlich über Massaker an politischen Gefangenen und ukrainischen Aufständischen, die die sowjetische Geheimpolizei NKWD (vormals GPU) vor dem Abzug der Sowjets aus Lemberg verübt hatte, zu berichten: »Lemberg ist gewissermaßen ein jüdisch-bolschewistischer Normalzustand, der den Blutwahnsinn der jüdisch-sowjetischen Machthaber unter Beweis stellt.« 3
    Vor allem die Parteipresse stellte in ihrer Berichterstattung über die Ereignisse in der Ukraine die angebliche Schuld »der Juden« an den Massakern groß heraus. 4 Der Völkische Beobachter scheute sich nicht, auch die Pogrome, die in zahlreichen ukrainischen Orten unter den Augen der deutschen Besatzungsmacht (und an vielen Orten auf ihre Veranlassung hin) stattfanden, zumindest anzudeuten. 5 Goebbels kommentierte dies in der Ausgabe vom 7. Juli, es kündige sich »für die jüdisch-terroristische Führungsschicht des Bolschewismus das Ende mit Schrecken an«. 6 In der Deutschen Allgemeinen Zeitung finden sich Hinweise auf Erschießungen durch ein deutsches Einsatzkommando unmittelbar nach der Besetzung der Stadt Kischinew am 17. Juli 1941. 7 Auch anderen Zeitungsberichten (und den Wochenschauen, wie noch gezeigt wird) ließ sich entnehmen, dass die ansässige jüdische Bevölkerung für die NKWD-Morde verantwortlich gemacht und »bestraft« wurde. 8
    Die Deutsche Allgemeine Zeitung berichtete über die Abschiebung von Tausenden von Juden aus Ungarn in das neu besetzte sowjetische Gebiet: »Man rechnet damit, dass in kurzer Zeit weitere Zehntausende in Lagern gesammelt und dann entfernt werden.« Tatsächlich, davon war in der Zeitung allerdings nichts zu lesen, wurden Ende August nahe der ukrainischen Stadt Kamenez-Podolsk insgesamt 23 600 aus Ungarn als »lästige Ausländer« abgeschobene Juden von einem Kommando des Höheren SS- und Polizeiführers Russland Süd, Friedrich Jeckeln, ermordet. 9
    Auf der Propagandakonferenz vom 9. Juli gab Goebbels die Parole aus, die Wendung »Die Juden sind schuld« zum »Tenor der deutschen Presse« zu machen; seine detaillierten Anweisungen bezogen sich ausdrücklich auf Weisungen, die er bei seinem letzten Besuch im Führerhauptquartier von Hitler erhalten hatte. 10 Entsprechend wurden die Journalisten auf der anschließenden Pressekonferenz instruiert. 11
    Vor allem die Parteipresse holte daraufhin zum großen Schlag aus. Bürgerliche Blätter beteiligten sich ebenfalls, ließen aber meist nach wenigen Tagen wieder nach. 12 Im Vordergrund der beispiellosen antisemitischen Hasstiraden der NS-Blätter stand das Bemühen, den Lesern nicht nur die angebliche Symbiose von Bolschewismus und Juden einzuhämmern, sondern darüber hinaus den Beweis zu erbringen, dass auch der westliche Kapitalismus und die Regierungen in London und Washington Marionetten der vermeintlichen jüdischen Weltverschwörung seien. 13
    Der Völkische Beobachter erschien zwischen dem 10. und 24. Juli insgesamt fünf Mal mit antisemitischen Schlagzeilen, die in die geforderte Richtung wiesen. 14 Der Angriff brachte zwischen dem 17. und 22. Juli eine stark antisemitisch ausgerichtete Artikelserie »Ich komme von den Sowjets«; vor allem aber griff DAF-Chef Robert Ley persönlich zur Feder, um im Juli drei und im August vier weitere wüste antisemitische Leitartikel zu verfassen. 15
    Stets ging es darin um Variationen zum Thema: »Dieser Krieg ist der Krieg Judas«. Die Deutschen, so Ley unverhohlen, müssten »Juda« vernichten, um nicht von den Juden ausgerottet zu werden – eine Rhetorik, die in ihrer Brutalität zu diesem Zeitpunkt noch von keinem anderen nationalsozialistischen Spitzenpolitiker erreicht worden war. »Dieser Krieg ist der Krieg Judas […]. Es ist ein Ringen auf Leben und Tod, um Sein oder Nichtsein. Einen Kompromiss, ein Zurück gibt es nicht mehr. Wir haben den Rubikon überschritten. […] Der Gott der Juden ist der Gott der Rache. Jehova verzeiht nie, er vergisst nie, er schließt keinen Frieden, er vernichtet und rottet aus.« Am 27. Juli hieß es: »Dieser Krieg ist unerbittlich, wenn es der Jude vermöchte, würde er uns Deutsche mit Stumpf und Stil

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