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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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ausrotten.« Am 13. August war zu lesen: »Deshalb müssen Juda und seine Welt, wie es jetzt im bolschewistischen ›Sowjetparadies‹ geschieht, vernichtet werden, damit dem Fortschritt und der Entwicklung, dem wahren Sozialismus, der Weg in die Freiheit geöffnet wird.« Am 27. August formulierte Ley: »Der Jude ist der Vater des Teufels.«
    Diesmal waren auch die Wochenschauen integraler Bestandteil der Kampagne. Die angeblich zentrale Rolle von Juden im Zusammenhang mit den NKWD-Morden wurde ausführlich geschildert; die Hinweise auf Pogrome und hasserfüllte Kommentare ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass die vermeintlichen Täter für diese Untaten mit ihrem Leben bezahlen mussten: »Das jüdische Mordgesindel, das mit den GPU-Agenten Hand in Hand gearbeitet hatte, wird von der empörten Menge den deutschen Truppen zur Bestrafung ausgeliefert«, hieß es beispielsweise im Juli in der Deutschen Wochenschau zu Aufnahmen aus Lemberg. In der gleichen Ausgabe wurde gezeigt, wie Soldaten der Luftwaffe in Jonova Juden abführten: »Jüdische Ghettotypen, Abschaum der Menschheit«, tönte der Sprecher dazu. 16
    In ihrer nächsten Ausgabe berichtete die Wochenschau nicht nur über »faulenzende Juden«, die zu »Aufräumungsarbeiten herangezogen« würden, sondern auch über den Pogrom in Riga: »Zorn und Empörung der Bevölkerung gegen die feigen, meist jüdischen Mordbuben kennen keine Grenzen. Hier werden die Schuldigen an dem namenlosen Unglück ungezählter Menschen von den erbitterten Angehörigen gestellt und dem verdienten Strafgericht ausgeliefert.« 17
    Eine Woche später kehrte die Wochenschau noch einmal nach Lemberg zurück und zeigte Juden bei der Exhumierung von Leichen: »Die roten Mordbestien, hauptsächlich Juden, kannten in ihrer teuflischen Mordlust keine Grenzen. Inzwischen sind die meisten dieser Untermenschen ihrer gerechten Bestrafung zugeführt worden.« 18 In der kommenden Woche wurden Leichen in der Stadt Doropat vorgeführt, die angeblich »von entmenschten jüdischen Henkersknechten auf das grauenvollste gefoltert und gemartert« worden waren. »Die ganze gesittete Welt« sei »dem Führer und seinen tapferen Soldaten zu ewigem Dank verpflichtet, dass dieses bolschewistische Untermenschentum in letzter Stunde unschädlich gemacht wird«. 19
    In der nächsten Woche berichtete die Wochenschau über die Deportation von Juden aus der Stadt Balti:«Die jüdische Bevölkerung Baltis wurde in Sammellager gebracht. Das sind jene Ostjudentypen, die besonders nach dem Weltkriege die Großstädte Mittel- und Westeuropas überschwemmten, wo sie als Parasiten ihre Gastvölker zersetzen und tausendjährige Kulturen zu vernichten drohten. Wo sie auch auftauchten, brachten sie Verbrechen, Korruption und Chaos mit sich. Ihr Weg ist Raub und Verwüstung.« 20
    In der gleichen Ausgabe wurden Aufnahmen von Juden bei Aufräumungsarbeiten in der Nähe von Smolensk gezeigt (»Endlich werden sie zur Arbeit gezwungen«). Im Oktober und November ging es um sowjetische Kriegsgefangene, vor allem jüdische Gefangene: »eine besondere Auslese«, von denen »jeder ungezählte Morde auf dem Gewissen« habe. 21
    Diese Serie von Berichten sollte allerdings im Herbst 1941 abbrechen. Man kann annehmen, dass dieses Ende der plakativen antisemitischen Berichterstattung in den Kinos damit zusammenhing, dass die »Judenpolitik« des Regimes in der deutschen Bevölkerung zunehmend auf Widerwillen stieß, wie wir noch sehen werden. Das Thema Judenverfolgung sollte die Wochenschau in den kommenden Jahren – mit einigen Ausnahmen – meiden.
    Aus dem Sommer 1941 ist auch einer der seltenen Fälle überliefert, in denen im Unterhaltungsfilm Bezug auf die antisemitische Politik genommen wurde. In einem als Vorfilm eingesetzten Streifen aus der Serie »Der Trichter« wurde den Zuschauern unter dem Titel »Volkshumor aus deutschen Gauen« ein Sketch präsentiert, der in einem Buchladen spielte. Der Ladenbesitzer erklärte hier einem sich als Verkäufer bewerbenden jungen Mann seine Verkaufsstrategie »Gegensätze ziehen sich an« und hatte folgende Beispiele parat: »Jungfrau von Orleans – Casanova«, »Kalte Mamsell (Marlitt) und Leitfaden für die warme Küche« sowie »Der Ewige Jude – Vom Winde verweht.« 22 Der Unterhaltungsfilm sollte solche und ähnliche »Späße« in den kommenden Jahren ebenfalls sorgsam vermeiden. Ende Juli schwächte sich die intensive antisemitische Kampagne auch in der Parteipresse ab; der

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