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"Davon haben wir nichts gewusst!"

"Davon haben wir nichts gewusst!"

Titel: "Davon haben wir nichts gewusst!" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Longerich
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neu besetzten Gebieten auszudehnen. Kurzfristig sollte die Kennzeichnung der deutschen Juden jedoch dazu beitragen, die Juden als potenzielle Unruhestifter auszuschalten, mehr Juden in den »Arbeitseinsatz« zu zwingen beziehungsweise ihre Lebensmittelrationen zu kürzen. 42
    Zwei Tage später, am 20. August 1941, gab Goebbels in einer weiteren Tagebucheintragung seiner Hoffnung Ausdruck, es »aufgrund dieser Kennzeichnung der Juden sehr schnell fertigzubringen, ohne gesetzliche Unterlagen die nach Lage der Dinge gegebenen Reformen durchzuführen«. Die Einführung des Abzeichens diente also vor allem dazu, weitere Beschränkungen des jüdischen Lebensbereiches durch ad-hoc-Maßnahmen, unter Umgehung des schwerfälligen Regierungsapparates, durchzuführen. »Wenn es im Augenblick auch noch nicht möglich ist, aus Berlin eine judenfreie Stadt zu machen, so dürfen die Juden wenigstens öffentlich nicht mehr in Erscheinung treten. […] Sie verderben nicht nur das Straßenbild, sondern auch die Stimmung. Zwar wird das schon anders werden, wenn sie ein Abzeichen tragen, aber ganz abstellen kann man das erst dadurch, dass man sie beseitigt. […] Wenn auch bei den Reichsbehörden noch starke bürokratische und zum Teil wohl auch sentimentale Widerstände zu überwinden sind, so lasse ich mich dadurch nicht verblüffen und nicht beirren. Ich habe den Kampf gegen das Judentum in Berlin im Jahre 1926 aufgenommen und es wird mein Ehrgeiz sein, nicht zu ruhen und nicht zu rasten, bis der letzte Jude Berlin verlassen hat.«
    Aus Goebbels’ Sicht sollte die Kennzeichnung letztlich die – in einigen Monaten anstehende – Deportation entscheidend erleichtern; kurzfristig diente sie aber vor allem dazu, die Juden aus der Öffentlichkeit herauszudrängen und »ohne gesetzliche Unterlagen die nach Lage der Dinge gegebenen Reformen durchzuführen«, also eine Atmosphäre zu schaffen, in der er die angedeuteten Widerstände der Reichsbehörden überwinden konnte. Eben dies geschah in den Monaten Juli bis September in Berlin: In diesem Zeitraum wurden die Bestimmungen für die jüdische Zwangsarbeit in der Stadt verschärft und der Zuzug von Juden vollkommen gestoppt. 43

Eine neue antisemitische Kampagne
    Zur psychologischen Vorbereitung der Bevölkerung auf die Kennzeichnung der Juden wurde nun erneut eine intensive antisemitische Propagandakampagne vorbereitet. Im Protokoll der Ministerkonferenz des Propagandaministeriums vom 21. August heißt es dazu: »Der Minister wünscht, dass alles, was irgendwie gegen die Juden spricht, in der deutschen Presse verwendet wird. Im Laufe der nächsten Zeit seien verschiedene Aktionen gegen die Juden vorgesehen – so u.a. das zwangsweise Tragen von großen gelben Armbinden -, und bis dahin müssten psychologisch die Voraussetzungen geschaffen sein, damit nicht einige sentimentale Intellektuelle über die ›bejammernswerten Juden‹ zu klagen begönnen. Meldungen, dass Israel in England für den Krieg Churchills bete, sowie das Kaufmann-Buch, zu dem in allen Kommentaren scharf herauszuarbeiten sei, dass es ein Jude war, der es schrieb, würden das ihre dazu beitragen, eine unangebrachte Sentimentalität dem Juden gegenüber gar nicht erst aufkommen zu lassen.« 44
    Bei dem »Kaufmann-Buch« handelte es sich um eine in den Vereinigten Staaten veröffentlichte Broschüre, in der ein gewisser Theodore N. Kaufman (ein Privatmann ohne jede Verbindungen zu amerikanischen Regierungskreisen) unter anderem die Sterilisation des deutschen Volkes gefordert hatte. Diese Broschüre, die bereits im Juli von der deutschen Presse angeprangert worden war, 45 sollte in den kommenden Wochen immer wieder ausgeschlachtet werden. 46
    In einem ebenfalls am 21. August verfassten Rundschreiben des Reichsrings für Nationalsozialistische Propaganda wurden die Parteigenossen entsprechend instruiert: »Die Forderung dieses jüdischen Ratgebers Roosevelts, das ganze deutsche Volk zu sterilisieren, liegt praktisch auf derselben Ebene wie die Tatsache, dass es Juden sind, die die Schuld an den Gräueltaten haben, von denen wir aus dem Ostfeldzug immer wieder von neuem hören. Dass sie sich in ihrem Vernichtungswillen nicht nur gegen Deutschland, sondern gegen alles, was an europäischer Intelligenz vorhanden ist, richten, ist daraus zu ersehen, dass die Bolschewisten nicht allein zu Gräueltaten gegen deutsche Soldaten aufstacheln, sondern auch die Intelligenz der von den Bolschewisten beherrschten Bevölkerung

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