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Dawning Sun (German Edition)

Dawning Sun (German Edition)

Titel: Dawning Sun (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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dass er über all dem stand. Er konnte es nicht. Gian-Luca zog gackernd ab und tuschelte mit seinen Kumpels. Vermutlich wusste bis zur nächsten Stunde die ganze Schule, dass der süße Joshi sich die Beine wachste. Sobald er die Hämatome los war, musste er sich dringend in kurzen Hosen präsentieren. Konnte man sich die Beinbehaarung eigentlich dunkler färben? Seine Mutter hatte bestimmt noch etwas von dem Haarfärbemittel, mit dem sie ihre grauen Strähnen überdeckte …
Gott, ich bin hysterisch!
Die Minuten krochen dahin. Ihm war schlecht, sein Magen krampfte. Er wollte nach Hause. Falsch, er wollte ins Koma fallen und erst aufwachen, wenn alles vorbei war.
Nicht mehr lange. Sobald die Prüfungen beginnen, hat keiner mehr Zeit für so’n Scheiß. Danach ist alles gut. Nicht mehr lange. Nicht mehr lange.
An diesem Mantra hielt er sich fest.
„Josh, ich will nicht, dass du dich wegen ein paar Spinnern aufgibst.“
Er fuhr zusammen, hatte nicht bemerkt, dass Herr Grothe dicht vor ihm stand. Daran sollte er wirklich arbeiten!
„Den meisten ist es wirklich komplett egal, ob du schwul oder hetero bist. Das Team braucht dich, Josh. Es wäre eine Katastrophe, wenn du einfach abspringst!“
„Ich bin nur erkältet“, murmelte Josh defensiv.
„Du siehst nicht nach Husten, Schnupfen, Heiserkeit aus, sondern nach ich bin ein Kaninchen, bitte schlag mich nicht !“
Josh schüttelte stumm den Kopf und wartete, dass man ihn endlich in Ruhe ließ.
„Komm mal bitte mit.“ Herr Grothe winkte ihm zu und marschierte bereits voran.
„So, ihr macht hier friedlich weiter, verstanden? Wenn ich in zwei Minuten wiederkomme und habe Grund, mich zu ärgern, verbringt ihr den Rest der Stunde mit Zirkeltraining!“
Die Drohung, die er durch die Halle bellte, zog immer. Josh folgte seinem Lehrer in den Geräteraum und schloss folgsam die Tür.
Herr Grothe musterte ihn einen Moment stumm und seufzte schließlich.
„Zeig mir deine Arme.“
„Bitte?“
„Deine Arme. Zieh die Pulliärmel hoch. Ich könnte dich auch auffordern, das Ding ganz auszuziehen, aber ich will keine Anzeige wegen sexueller Belästigung riskieren.“
Herr Grothe wirkte seltsam grimmig.
„Wozu soll das gut sein?“, murmelte Josh abwehrend, um Zeit zu gewinnen.
„Du bewegst dich so steif, als hättest du von Kopf bis Fuß wahnsinnigen Muskelkater. Dafür bist du zu sorgfältig trainiert. Wenn du glaubst, keiner schaut hin, massierst du dir die Oberarme. Du duckst dich ängstlich, sobald Nico in deine Richtung schaut, und das Gelästere über den kleinen Homo, dem man es gezeigt hat, ist selbst für uns Lehrer nicht zu überhören.“
Joshs erster Reflex war, zu gehorchen. Die Ärmel hochzustreifen, darauf zu bestehen, dass er einen Fahrradunfall gehabt hatte. Niemanden verraten, niemanden verärgern, den Lehrer zufrieden stellen.
Toms Worte kamen ihm in den Sinn.
Dass er immer folgsam war statt zu tun, was er selbst für gut und richtig hielt. Dass er aus den falschen Gründen gehorchte. Allen und jedem Macht über sich gab.
Rasch verschränkte er die Arme vor der Brust, um das Beben seiner Hände zu verbergen, und murmelte: „Nein.“
„Bitte was?“
„Nein. Ich … nein. Ich will Ihnen meine Arme nicht zeigen und Sie können mich nicht zwingen.“ Er spürte, wie sein Gesicht hitzig entflammte. Am liebsten hätte er die Worte zurückgezerrt und in seinen Mund gestopft, damit sie kein zweites Mal entkommen konnten.
Idiot, jetzt weiß er, dass alles stimmt! Hättest es dir ja gleich auf die Stirn tätowieren können!
Herr Grothe betrachtete ihn eine volle Minute lang ernst und intensiv, dann nickte er nachdenklich.
„Nun schön. Ich hoffe, du kannst am Sonntag trotzdem spielen. Versuch es bitte wenigstens.“ Er schloss einen Schrank auf, mit eckigen Bewegungen, die bewiesen, wie stark er sich zusammenreißen musste. War er wütend?
Wenn ja, auf mich oder die anderen?
„Hier, nimm die Bälle mit.“ Herr Grothe drückte Josh ein Netz mit sechs Basketbällen in die Arme, nahm selbst eines mit und scheuchte ihn zurück in die Halle. Falls jemand etwas darüber argwöhnte, warum sie die Tür zum Geräteraum geschlossen hatten, zeigte er es nicht. Was bei Herrn Grothe die sicherste Methode für ein friedliches Leben war.
Für den Rest des Schultages ließ man ihn in Ruhe. Es hätte ihn erleichtern müssen, stattdessen lauerte Josh auf die nächste Attacke, bis er fast wahnsinnig wurde. Dass Tom ihm zudem wieder aus dem Weg ging, ihn nicht einmal ansehen

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