Dawning Sun (German Edition)
du dich orientiert hast …“
„Ich hab es mir gut überlegt, ja. Ich werde nach dem Abi wegziehen, es wäre sinnlos, die Mannschaft für die wenigen Wochen in zwei Lager zu spalten.“
Es war befreiend. Josh hatte nicht bemerkt, wie stark ihn der Gedanke belastet hatte, heute Abend zum Training zu gehen. Zu fürchten, dass Nico ihm nach dem Spiel auflauern würde. In diese verdammte Umkleide zu gehen und auf den Boden zu starren, wo er hatte liegen müssen.
„Vom jetzigen Sportunterricht melde ich mich auch ab. Ich habe … Kopfschmerzen“, sagte er, als Herr Grothe nicht reagierte. Sicher war er enttäuscht, weil Josh bislang auch im Studium beim Team hatte bleiben wollen. Es hatte niemand ahnen können, wie sich das alles hier entwickeln würde!
Herr Grothe blickte kurz zwischen ihm und Tom hin und her und nickte dann.
„Na, haut schon ab, ihr beiden. Maurice, du schaust mal bitte, wo der Rest der Truppe bleibt.“
Momo nickte und ging, ohne Josh noch einmal anzusehen.
Vor dem Schulgebäude atmete Josh tief durch.
„Ich muss mir einen Kalender kaufen“, murmelte er.
„Warum?“
„Damit ich die letzten Tage abstreichen kann. Wie beim Bund.“
„Oder im Knast.“ Tom lächelte und brachte auf diese Weise Joshs Herz einmal mehr zum Stolpern. Unglaublich, dass er diesen Kerl früher als düster und unnahbar empfunden hatte! Es gab wohl niemanden auf der Welt, der solch liebevolle Augen besaß und so viel Wärme ausstrahlte.
Sie gingen gemeinsam zu Tom, wo sie die Zeit mit Kuscheln und Küssen verbrachten, bis Josh zum Mittagessen nach Hause musste. Es verwirrte ihn etwas, dass Tom ihn jedes Mal aufhielt, sobald Josh ihm mit den Händen unter das Shirt schlüpfen wollte, um nackte Haut spüren zu dürfen. Tom selbst berührte ihn niemals intimer als im Nacken und rutschte nie tiefer als die Rückenmitte, obwohl es nicht zu verfehlen war, dass er mehr wollte.
Vielleicht hat er Angst, ich bin noch nicht so weit?
Oder er ist selbst nicht so weit …
22.
Die Woche kroch lähmend langsam dahin. In der Schule gab es mehrere Zusammenstöße mit Nico, der darauf lauerte, Josh allein zu erwischen. Sobald Tom von seiner Seite weichen musste, war es für ihn unklug, sich von den anderen zu entfernen. Selbst auf die Toilette zu gehen konnte da zum Abenteuer werden … Mehr als einmal hatte Nico ihn in eine Ecke gedrängt und nur von ihm abgelassen, weil sich jemand genähert hatte. Was genau er wollte, blieb schleierhaft.
Tom führte Josh nach der Schule in die Grundbegriffe und Basisbewegungen des Taekwondo ein. Sie lernten viel zusammen, da sich die Abi-Klausuren nicht um die zarten rosafarbenen Verliebtheitswölkchen in Joshs Verstand scherten.
Seine Mutter versuchte tapfer zu sein, wann immer sie ihn sah. Sie hatte sich eine Therapeutin gesucht und setzte mehrmals an ihn zu überreden, doch einmal mitzukommen.
Josh hatte kein Verständnis dafür, warum sie sich professionelle Hilfe suchte, nur weil man ihn attackiert hatte. Da war wohl wirklich eine heile Welt zusammengebrochen …
Sein Vater tänzelte wie auf rohen Eiern um sie herum, was ihn zu beschäftigt hielt, um Josh mit irgendwelchen Vorschlägen belästigen zu können. Sascha bekam er kaum zu Gesicht. Das Gefühl, dass sie alle auf einen großen Knall zusteuerten, wuchs beständig. Es gab nichts, was er dagegen unternehmen konnte, also wartete er.
23.
„Josh, wir müssen reden.“
Leon. Er war allein und sah extrem gestresst aus. Josh musterte ihn nachdenklich – es konnte kein Zufall sein, dass Leon erst jetzt zu ihm kam, wo Tom den Raum verlassen hatte und Nico nirgends zu sehen war.
„Schieß los“, erwiderte er so unbeteiligt wie möglich.
„Nicht hier. Lass uns rausgehen.“
„Hältst du mich für blöd? Sag deinem Nico, wenn er reden will, soll er selbst kommen und keine Lakaien schicken!“, fauchte Josh, laut genug, dass mindestens die Hälfte der Klasse es hörte. Das würde die Gerüchte weiter anheizen, dass Leon und Nico an dem Übergriff beteiligt gewesen waren. Die Spannung zwischen ihnen war wirklich nicht zu verfehlen. Es war Josh gleichgültig.
„Es geht um ja um Nico. Ich will dich warnen!“, flüsterte Leon eindringlich. „Es wird schlimmer. Er ist wie besessen von der Idee, dass er die Sache zu früh beendet hatte. Du weißt ja welche. Dass er hätte weitermachen müssen, bis, nun ja, bis ...“
„Herrgott, warum?“, wisperte Josh resigniert. „Er war schon immer ein bisschen arg konservativ orientiert,
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