Days of Blood and Starlight
halberstickt, als sie sagte: »Und hier steht der große Held der Chimären, Mörder seiner eigenen Soldaten.«
»Offenbar waren es nicht meine eigenen Soldaten«, erwiderte er. »Ihr Fehler.« Damit wandte er sich Amzallags Leiche zu, die ganz am Rand der Grube lag, spannte sich an, ging in Stellung und stieß den Körper mit seiner krallenbewehrten Wolfstatze so heftig an, dass er in die Grube rollte. Der gigantische Amzallag wog sicher an die fünfhundert Pfund, aber als seine Schultern über den Rand kippten, brachte ihr Gewicht den Rest aus dem Gleichgewicht, erst langsam, ganz langsam … und dann plötzlich sehr schnell kippte Amzallags Leiche in die Grube und verschwand in der übelriechenden Finsternis.
Lisseth verfuhr mit den wesentlich leichteren Körpern der Sphingen auf die gleiche Weise. Man hörte kaum einen Laut, die Leichen landeten offenbar weich – Karou wusste, was ihren Sturz dämpfte, ohne es sich allzu genau vorstellen zu wollen –, aber ein unglaublicher Gestank erhob sich. Und Fliegen. Zu Hunderten summten sie empor, eine schwarze Wolke, die den Gestank mit sich zu tragen schien. Taumelnd wich Karou zurück, von Brechreiz nahezu überwältigt. Sie konnte die Luft fast im Mund spüren, dick, erstickend, Dunst und Flüssigkeit. Fassungslos starrte sie Thiago an.
»Sie sind nicht alle Monster wie du«, sagte sie. »Wie der Rest von euch.« Sie musterte die versammelten Captains – Nisk, Lisseth, Virko, Rark, Sarsagon –, und sie begegneten ihrem Blick, die Augen leer und schamlos – alle außer Virko, der zu Boden schaute, als ihr Blick ihn erreichte.
»Ja, wir sind Monster«, bestätigte Thiago. »Ich werde den Engeln ihre ›Bestien‹ geben. Albträume, die sie noch heimsuchen werden, wenn ich schon längst verschwunden bin.«
»Das ist es also?«, fauchte Karou. »Ist das dein Ziel – ein Erbe von Albträumen zu hinterlassen, wenn du stirbst? Warum nicht? Warum sollte sich nicht alles um dich drehen? Der große Weiße Wolf, Engelmörder, niemandes Retter.«
»Retter?« Thiago lachte. »Willst du das sein? Was für ein hehres Ziel für eine Verräterin.«
»Ich war niemals eine Verräterin. Wenn jemand ein Verräter ist, dann du. Was du heute über die Ausgrabung der Kathedrale gesagt hast – war das alles gelogen?«
»Karou, was glaubst du denn? Was sollen wir denn mit diesen Tausenden von Seelen anfangen? Unser Wiedererwecker kann kaum eine Armee erschaffen.«
Solche Verachtung in seiner Stimme. Aber Karous Verachtung war ebenso tief. »Nun, ich bin fertig mit deiner Armee, also brauche ich eine neue Beschäftigung«, stieß sie hervor, und ihr Kopf war erfüllt vom weißen Rauschen des Zorns. Sie würde Amzallags Seele holen, und auch die der Sphingen. Amzallag hatte nicht für die Hoffnung auf seine Familie gelebt, nur um jetzt hier zu sterben.
»Du bist hier fertig? Ach, wirklich?« Thiago grinste. Mörder, Folterer, Barbar. »Glaubst du im Ernst, dass du dieses Spiel gewinnen kannst?« Er schüttelte den Kopf. »Karou, Karou. Oh, dein Name amüsiert mich wirklich. Brimstone, dieser törichte Narr. Er hat dich Hoffnung genannt, weil du dich einem Engel hingegeben hast? Lust hätte er dich nennen sollen. Oder Hure .«
Das Wort verletzte sie nicht. Nichts von dem, was Thiago sagte, konnte ihr weh tun. Wenn sie ihn jetzt anschaute, konnte sie kaum verstehen, wie sie sich so lange von ihm an der Nase hatte herumführen lassen, seinen Anweisungen Folge geleistet und Monster erschaffen hatte, nur um sein Vermächtnis von Albträumen zu erschaffen. Sie dachte an Akiva, an die Nacht, als er am Fluss zu ihr gekommen war, dachte an den vernichtenden Schmerz und die Scham in seinem Gesicht und an die Liebe, ja, immer noch Liebe – Kummer, Liebe und Hoffnung . Und sie erinnerte sich an den Ball des Kriegsherrn, wo Akiva sich immer richtig und Thiago sich immer falsch angefühlt hatte, an Akivas Wärme gegenüber der Kälte des Wolfs, an die Geborgenheit bei ihm und an die Drohungen dieses Monsters.
Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie Thiago und sagte leise, kühl: »Das macht dir immer noch zu schaffen, nicht wahr? Dass ich ihn gewählt habe und nicht dich? Soll ich dir etwas sagen?« Liebe ist ein Element. »Du warst keine Konkurrenz für ihn.« Die letzten Worte kamen wie ein Zischen aus ihrem Mund, und ein zorniges Zucken verzerrte für einen Moment sein kaltes, beherrschtes Gesicht. Dieses schöne Gefäß, das Brimstone erschaffen hatte, verbarg in seinem Innern
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