Days of Blood and Starlight
abscheuliche Wesen. Das Mädchen hat mir beinahe leidgetan, weil sie die Berührung von so einer Zunge fühlen musste.«
Ein Dröhnen erhob sich in Akivas Ohren. Razgut. Jael hatte Razgut gefunden. Was hatte die Kreatur ihm erzählt?
»Ich wüsste gern – hast du sie je gefunden?«, fragte Jael.
»Ich weiß nicht, wen Ihr meint«, erwiderte Akiva.
Jetzt lächelte Jael tatsächlich, und es war ein gemeines Lächeln, niederträchtig und erregt. »Nein?«, sagte er. »Freut mich zu hören, denn in deinem Bericht wurde kein Mädchen erwähnt.« Das stimmte. Akiva hatte nichts von Karou gesagt, und auch nicht vom Buckligen Izîl, der sich lieber von einem Turm gestürzt hatte, als Karou preiszugeben, und genauso wenig von Razgut – von dem Akiva gedacht hatte, er wäre damals mit dem Buckligen gestorben. »Ein Mädchen, das für Brimstone gearbeitet hat«, fuhr Jael fort. »Das von Brimstone aufgezogen wurde. So eine interessante Geschichte. Allerdings ziemlich weit hergeholt. Welches Interesse könnte Brimstone an einem Menschenmädchen gehabt haben? Und apropos – was für ein Interesse könntest du an einem Menschenmädchen gehabt haben? Das übliche?«
Akiva antwortete nicht. Jael war zu fröhlich; es war klar, dass Razgut ihm alles erzählt hatte, was er wusste. Dann war die Frage wohl, wie viel Razgut wusste. Wusste er, wo Karou jetzt war? Dass sie Brimstones Werk weiterführte?
Was wollte Jael?
Der Captain – nein, rief Akiva sich in Erinnerung, Jael war jetzt der Imperator – zuckte die Achseln und meinte: »Natürlich, der Gefallene hat auch behauptet, das Mädchen hätte blaue Haare, was wirklich sehr unglaubwürdig klingt, deshalb dachte ich, wie kann ich auf all die anderen Dinge vertrauen, die er mir über die Menschenwelt erzählt hat? All die faszinierenden Dinge, die du in deinem Bericht ausgelassen hast. Ich musste meine Kreativität bemühen. Am Ende habe ich geglaubt, dass er die Wahrheit sagt, so seltsam sie auch klingt, aber ich begreife nicht, was ihr drei euch dabei gedacht habt, nicht von ihren Errungenschaften zu berichten. Von ihren Apparaten . Wie kommt es, dass ihr ihre wundervollen, phantastischen Waffen nicht erwähnt habt, Neffe?«
Akivas ungutes Gefühl verstärkte sich, und es kam nicht nur von den Hamsas. Alles passte zusammen. Razgut und die Waffen. Weiße Waffenröcke. Harfner. Prunk. Um Eindruck zu machen , hatte er gedacht, als ihm die Gerüchte zu Ohren kamen, aber es hatte keinen Sinn ergeben. Niemand konnte sich vorstellen, dass die Stelianer sich von weißen Waffenröcken und Harfen beeindrucken ließen.
Menschen andererseits …
»Ihr wollt gar nicht bei den Stelianern einmarschieren«, sagte Akiva. »Sondern in der Menschenwelt.«
Der Schrei
Thiago schien nicht ganz zu verstehen, warum er plötzlich keine Luft mehr bekam oder was der Schmerz an seinem Hals damit zu tun hatte. Seine Hand flog zu dem Messer, zog es heraus, und als das Blut nun umso schneller floss – auf Karou, alles auf Karou –, schaute er mit … Herablassung auf das Messer. Karou stellte sich vor, dass sein letzter Gedanke war: Dieses Messer ist zu klein, um mich umzubringen .
Aber es war nicht zu klein.
Seine Augen trübten sich. Sein Hals verlor seine Kraft. Schwer sank sein Kopf auf ihr Gesicht; einen Augenblick zappelte, dann zuckte er, dann lag er still und war nur noch totes Gewicht. Er war tot. Thiago. Tot und schwer. Das Blut quoll weiter aus seinem Hals, und Karou steckte unter ihm fest, die Beine noch immer gespreizt, die Knöchel in der nach unten geschobenen Jeans gefangen, und ihr eigener panisch keuchender Atem klang in ihren Ohren so laut, dass sie glaubte, die Sterne selbst müssten ihn hören.
Schließlich gelang es ihr, Thiago ein Stück wegzuschieben, dann wuchtete sie sich unter ihm hervor, trat gegen seine Beine, um ihre eigenen freizubekommen, stand schließlich auf, schwankend, zerrte an ihren Jeans. Sie verlor das Gleichgewicht, stürzte und stand erneut auf. Ihre Arme zitterten so, dass sie ein paarmal ansetzen musste, bis ihre Jeans wieder an Ort und Stelle waren. Aber dann scheiterte sie an dem Knopf. Sie konnte nicht aufhören zu zittern, aber sie konnte den Knopf doch auch nicht offen lassen, das war undenkbar! Da endlich kamen die Tränen – die Frustration, dass sie ihre Finger nicht zu dieser einfachen Verrichtung zwingen konnte, die sie doch schaffen musste , brachte das Fass zum Überlaufen. Als sie es schließlich doch schaffte, schluchzte sie
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