Days of Blood and Starlight
sie vor ihm, und ihrem Gesicht war anzusehen, dass sie nicht recht wusste, ob sie gekränkt oder wütend sein sollte. »Ich habe absolut keine Ahnung, warum sie Zähne klaut. Darum geht es auch gar nicht. Es geht darum, dass sie hier war. In Prag.«
Sie ließ den Rest ungesagt, aber das Schmollen gewann die Oberhand, so dass sie für einen Moment einfach nur verletzt aussah. Karou – das »Zahn-Phantom«, wie die Medien sie nannten, ohne zu ahnen, dass sie und das »Mädchen auf der Brücke« ein und dieselbe Person waren – hatte anscheinend während ihrer Serie von Einbrüchen auch das Nationalmuseum überfallen. In den Lokalnachrichten war gezeigt worden, wie der Museumsdirektor mit einer Stiftlampe in das Maul eines sibirischen Tigers leuchtete.
»Wie Sie sehen können, hat sie nicht die Fangzähne mitgenommen, sondern nur die Backenzähne«, hatte der Mann zu seiner Verteidigung erklärt. »Deshalb haben wir den Diebstahl zuerst nicht bemerkt. Wir haben ja keinen Grund, unseren Ausstellungsstücken ständig ins Maul zu sehen.«
Das Phantom war Karou, so viel stand fest. Das Bild auf dem Überwachungsvideo reichte zwar nicht aus, um sie eindeutig zu identifizieren, aber Zuzana verfügte über eine Quelle, von der die Polizei keine Ahnung hatte: Karous Skizzenbücher. Sie lagen in einer Ecke von Miks Zimmer aufgestapelt, alle neunzig Bände. Seit Karou alt genug war, um einen Bleistift zu halten, hatte sie diese Geschichten von Monstern und mysteriösen Türen und Zähnen gezeichnet. Immer von Zähnen.
Miks Frage hatte Zuzana sich selbst schon unzählige Male gestellt: warum Zähne? Sie hatte nicht den geringsten Schimmer. Gerade in diesem Moment war das aber auch nicht ihre Hauptsorge.
»Wenn sie schon mal hier ist, warum hat sie uns nicht wenigstens kurz besucht?«, wollte sie wissen. Eine Augenbraue schoss in die Höhe, kühl und wütend, und ihr Zorn zwang die Kränkung in die Knie. In ihren Plateauschuhen und ihrem Vintage-Tutu, mit puppengleich geschminktem Gesicht und wild funkelnden Augen, sah Zuzana tatsächlich aus wie die tollwütige Fee, als die Karou sie so gerne bezeichnete.
Mik legte ihr die Hände auf die Schultern. »Wir wissen nicht, was bei ihr los ist. Vielleicht war sie in Eile. Oder sie wurde verfolgt. Es könnte alles Mögliche passiert sein.«
»Das ist es ja gerade!«, rief Zuzana frustriert aus. »Dass alles Mögliche passiert sein könnte und ich nichts davon weiß. Ich bin ihre beste Freundin! Warum erzählt sie mir nicht, was sie macht?«
»Ich weiß es nicht, Zuze«, beruhigte Mik sie sanft. »Sie hat geschrieben, dass es ihr ausgezeichnet geht. Das ist doch gut, oder?«
Sie standen am Rand der Karlsbrücke, wo sie wie jeden Morgen nach einem guten Platz für ihre Vorführung Ausschau hielten. Heute waren sie später dran als sonst, und die mittelalterliche Brücke füllte sich schnell mit Musikern, Künstlern und einem guten Teil der engelverrückten Irren dieser Welt. Besorgt sah Mik zu, wie eine Alte-Männer-Jazzband mit angeschlagenen Instrumentenkästen an ihnen vorbeizog.
Zuzana kriegte nichts von alldem mit. »Bah! Erinnere mich bloß nicht an diese Mail! Ich könnte sie sowieso schon ein bisschen umbringen. Ich will aber noch nicht auf die Karre! Es geht mir ausgezeichnet! Sollte das ein Rätsel sein? Irgendwas aus Monty Python? Aber Sandburgen? Was zur Hölle? Und kein Wort über Akiva! Was hat das zu bedeuten?«
»Es klingt nicht gerade vielversprechend«, räumte Mik ein.
»Ich weiß! Ich meine … Sind sie zusammen? Dann würde sie ihn doch wenigstens erwähnen, oder nicht?«
»Ja, klar. Genau wie du ihr ständig von mir schreibst, ihr all die lustigen Sachen erzählst, die ich wieder gemacht habe, und wie ich jeden Tag noch schlauer und noch schöner werde. Und du benutzt Smileys …«
Zuzana schnaubte. »Natürlich. Und ich unterschreibe alles mit Mrs. Mikolas Vavra, mit einem kleinen Herzchen über dem i.«
»Hey, das gefällt mir«, grinste Mik.
Sie boxte ihn in den Oberarm. »Also bitte. Wenn du mich je wirklich fragst, ob ich dich heiraten will, dann glaub bloß nicht, dass ich so eine Art Anhängsel von dir werde, wie eine alte Frau, die ihren Rentenscheck mit Mrs. Name-von-ihrem-Mann unterschreibt.«
»Aber du würdest ja sagen?« Miks blaue Augen glitzerten.
»Was?«
»Das klang, als wäre die Namensfrage dein einziges Problem – und nicht, ob du ja oder nein sagen würdest.«
Zuzana wurde rot. »So war das nicht gemeint.«
»Also
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