Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Days of Blood and Starlight

Days of Blood and Starlight

Titel: Days of Blood and Starlight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
Vom Netzwerk:
Ganz Eretz stank nach Tod, und im Minenschacht war es kaum auszuhalten. Die Echos und die schaurig hohl klingenden Schreie der Cherub-Fledermäuse, der Dreck, die Dunkelheit, die blassen Wurzelknollen, die wie Adern pulsierten, keine Privatsphäre, überall grimmige »Kameraden«, die sie tagein, tagaus im Auge behielten, und … keine Türen. Das war das Schlimmste – dass sie nie einfach die Tür schließen und sich sicher fühlen konnte, niemals, noch nicht einmal während ihrer Arbeit, wenn die Magie sie an einen Ort tief in ihrem Inneren führte, an dem sie vollkommen schutzlos war. Und an Schlaf war auch nicht zu denken. Sie hatte unbedingt eine Alternative finden müssen.
    Es war jedoch wahrlich keine leichte Aufgabe gewesen, eine stetig wachsende Chimärenarmee in der Menschenwelt zu verstecken. Sie hatte einen geräumigen, isolierten Stützpunkt gebraucht, der nahe genug am Atlasgebirge lag, damit sie ungesehen durch das Portal, das Razgut ihr gezeigt hatte, zwischen den Welten hin- und hergehen konnten. Elektrizität und fließendes Wasser wären natürlich auch schön gewesen, aber Karou hatte gar nicht erwartet, einen Ort zu finden, der auch nur ihre Grundbedürfnisse abdeckte.
    Doch die Kasbah war für ihre Zwecke tatsächlich perfekt.
    Sie sah genauso aus, wie Karou sie in ihrer kurzen Mail an Zuzana beschrieben hatte: wie eine Sandburg, eine sehr große Sandburg. Die Befestigungsanlage mit ihren verwinkelten Gässchen und weitläufigen Plätzen, den geduckten Wohnhäusern und hochaufragenden Türmen, sowie einem Palast und einem Kornspeicher war schon fast eine kleine Stadt – eine verlassene, vergessene Stadt. Ihre Erbauer hatten Träume von legendären Ausmaßen geträumt, und wenn Karou auf dem marmorgepflasterten Palasthof stand und zu den spitzen Dächern hoch über ihr aufsah, hatte sie das Gefühl, auf die Größe eines Singvogels zu schrumpfen.
    Es war atemberaubend: die gusseisernen, verschnörkelten Fenstergitter und Holzschnitzereien, die bunten Mosaike und gigantischen maurischen Torbögen, die jadegrünen Dachziegel und die kunstvollen weißen Stuckverzierungen längst verstorbener Handwerker.
    Und alles zerfiel. In manchen Vierteln waren die Dächer schon vollständig eingestürzt, und von mehreren Türmen ragte nur noch eine Ecke in die Höhe, während der Rest einfach weggebrochen war. Treppen führten ins Nichts, hinter Türen lagen tiefe Abgründe, Torbögen waren von so vielen Rissen durchzogen, dass sie jeden Moment zu zerbröckeln drohten.
    Dahinter und darüber ragten die zerklüfteten Bergspitzen des Atlasgebirges in den Himmel. Davor und darunter erstreckte sich ein Abhang aus Geröll und Gestrüpp auf die ferne Sahara zu. Es war ein trostloser Ausblick und über Meilen hinweg so unbewegt, dass man den Eindruck hatte, als würde selbst das Zucken eines Skorpionstachels die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
    All das konnte Karou von ihrem Zimmer aus sehen. Es lag ganz oben im Palast, über einem weitläufigen ummauerten Hof. Auf der überdachten Galerie, die dem Haupttor gegenüberlag, standen mehrere Chimären, und als Karou nun vor ihren Augen herabschwebte, verstummten sie. Sie war aus ihrem Fenster geflogen – die Treppen waren in einem so miserablen Zustand, dass es lebensgefährlich war, sie zu benutzen, und außerdem: warum laufen, wenn man fliegen konnte?  –, und ihr lautloser Flug, ohne jede Flügel irritierte die anderen immer. Mit ihren Raubvogel-, Büffel- und Echsenaugen starrten sie sie misstrauisch an, keiner sagte ein Wort, keiner grüßte sie.
    Die Hitze des Tages fühlte sich an wie eine Hand, die unablässig auf ihren Kopf drückte, aber trotzdem trug Karou eine Tunika mit langen Ärmeln, um ihre Blutergüsse zu verbergen, und darüber ihren Messergürtel. Die Mondsichelklingen hingen an ihrer Hüfte – eine Rückversicherung, die sie lieber nicht gebraucht hätte. Da hier alle Chimären stets bewaffnet waren, fiel sie damit jedoch nicht weiter auf, und ihre »Kameraden« brauchten nicht zu wissen, dass sie es waren, vor denen Karou sich schützte.
    Fast sofort, als sie die Große Halle betrat, flüsterte jemand: »Verräterin!« Ein tonloses Fauchen hinter ihrem Rücken, das sie nicht recht zuordnen konnte.
    Es versetzte Karou einen Stich, auch wenn sie sich nach außen hin nichts anmerken ließ, sondern einfach weiterging, ohne auf die plötzlich unterbrochenen Gespräche überall um sie herum zu achten. Vielleicht war es Hvitha gewesen, der sich gerade

Weitere Kostenlose Bücher