Days of Blood and Starlight
das.«
»Was?« Svevas Herz hämmerte. »Wen meinst du denn?«
»Engel sind auf dem Weg hierher. Soldaten, keine Sklavenjäger. Wenn ihr überleben wollt, dann müsst ihr weg von hier.«
Engel. Svevas Hass erwachte wieder. »Hier sind wir gut versteckt«, erwiderte sie. Das dichte Blätterdach der Jungfernbäume sah von oben aus wie eine lückenlose Grünfläche, die sich meilenweit in alle Richtungen erstreckte. Zwei Dama-Mädchen waren darin so schwer zu finden wie zwei Eicheln. »Sie werden uns nie finden.«
»Sie müssen euch nicht finden, um euch zu töten«, entgegnete Rath. »Sieh selbst.« Er deutete auf eine Lücke im Gebüsch, die, wie Sveva wusste, auf eine kleine Anhöhe führte, von der aus man die Hügellandschaft gut überblicken konnte. Sie sah zu Sarazal hinüber, die wieder eingeschlafen war. Ihre Lippen bewegten sich, und ihre Lider flatterten unruhig – bestimmt träumte sie schlecht. Wieder stieß Rath ein ungeduldiges Geräusch hervor, und Sveva setzte sich endlich in Bewegung. Langsam, zögernd einen Huf vor den anderen setzend, drängte sie sich seitwärts an ihm vorbei, doch sobald sie ihn hinter sich gelassen hatte, rannte sie los und sprang auf die Erhöhung.
Sie sah Qualm.
In dem Tal, das zwischen ihnen und ihrer Heimat lag, stiegen Dutzende von tiefschwarzen Rauchsäulen zum Himmel auf. Die Bäume unter ihr standen lichterloh in Flammen, und darüber, in der Luft flirrend wie eine Fata Morgana, schwebten die Seraphim.
Die Engel würden sie ausräuchern. Das ganze Land verbrennen. Die ganze Welt.
Wie betäubt kehrte sie zu Rath zurück. »Hast du es gesehen?«, fragte er.
»Ja«, stieß sie wütend hervor. Wütend auf ihn, als wäre er an allem schuld. Wut war besser als die Panik, die direkt darunter lauerte. Sie ging in die Hocke, um ihrer Schwester aufzuhelfen, aber Sarazal wehrte sich.
»Nein«, hauchte sie, ihre Stimme leise und kindlich. »Ich kann nicht, ich kann nicht.«
So hatte Sveva ihre Schwester noch nie gesehen. Sie versuchte, sie hochzuziehen. »Komm schon.« Sie würde nicht in Panik geraten. »Sarazal, du kannst es! Du musst !«
Aber ihre Schwester schüttelte den Kopf. »Svee. Bitte.« Ihr Gesicht verzerrte sich, sie kniff die Augen zusammen. »Es tut s o weh!« Es war das erste Mal, dass sie über die Schmerzen sprach, und ihre Stimme war ein raues Flüstern tief aus ihrem Inneren, erschöpft und flehend. »Geh einfach«, sagte sie. »Du weißt, dass ich nicht mitkommen kann. Ich werde dir keine Vorwürfe machen. Niemand wird dir Vorwürfe machen. Ach Svee, Svee, vielleicht bist du wirklich die schnellste Kreatur der Welt …« Sie versuchte zu lächeln. Svee war Svevas Kindername, und dass Sarazal sie in diesem Moment so nannte, brach ihr fast das Herz. »Also lauf!«, schluchzte Sarazal.
Doch Sveva schüttelte sie. »Eher lege ich mich hier neben dich und sterbe mit dir! Hörst du? Ist es das, was du willst? Mama wird schrecklich wütend auf dich sein!« Ihre Stimme klang schrill und gemein. Aber sie musste ihre Schwester doch irgendwie dazu kriegen aufzustehen! »Und versuch gar nicht erst, mir weiszumachen, dass du mich zurücklassen würdest! Ich weiß, dass du das nie tun würdest, und ich tu es auch nicht!«
Da versuchte Sarazal wirklich aufzustehen, aber als sie ihr geschwollenes Bein belastete, schrie sie vor Schmerz auf und sank zurück zu Boden. »Ich kann nicht«, flüsterte sie. Ihre fiebrigen Augen waren erfüllt von schrecklicher Angst.
Und plötzlich sprang Rath nach vorn. Sveva hatte ihn schon fast vergessen. Sie sah nicht, wie er losstürzte, nur wie er, unglaublich leichtfüßig für seine massige Gestalt, im Farngestrüpp vor ihr aufsetzte und Sarazal hochhob, einen seiner stämmigen Arme eng um ihre zierliche Reh-hüfte geschlungen, ihren menschlichen Oberkörper dicht an seine Schultern gedrückt. Vor Schmerz und Furcht erstarrte Sarazal und gab einen erstickten Schreckenslaut von sich, aber Rath sagte nichts. Noch ein Sprung, und er stürmte davon, weg von dem nahenden Feuer und den schimmernden Engeln, ohne sich auch nur einmal nach Sveva umzusehen.
Nach einem Herzschlag benommener Überraschung folgte Sveva ihm.
Das Zahn-Phantom
»Aber warum ausgerechnet Zähne?«, fragte Mik. »Das verstehe ich nicht.«
Zuzana, die vor ihm den Bürgersteig entlangmarschierte, blieb so abrupt stehen, dass er sie um ein Haar mit dem Karren, auf dem sie ihre riesigen Marionetten transportierten, überfahren hätte. Winzig und gebieterisch stand
Weitere Kostenlose Bücher