Days of Blood and Starlight
würdest du mich nicht heiraten?«
»Die Frage ist lächerlich! Ich bin achtzehn!«
»Oh, dann ist das also so ein Altersding?« Er runzelte die Stirn. »Du meinst doch nicht, dass du dir vorher noch die Hörner abstoßen willst, oder? Wir müssen keine Beziehungspause einlegen, damit du andere …«
Zuzana hielt ihm schnell den Mund zu. »Igitt! Sag so was nicht mal.«
Beruhigt küsste Mik ihre Hand. »Gut.«
Sie drehte sich auf dem Absatz um und marschierte weiter. Mit einem Ruck setzte Mik den Puppenkarren wieder in Bewegung und folgte ihr. »Also, nur so aus Neugier …«, rief er ihr nach. »Ab welchem Alter würdest du einen Heiratsantrag in Erwägung ziehen?«
»Denkst du ernsthaft, ich mache es dir so leicht?«, rief sie über ihre Schulter zurück. »Da kennst du mich aber schlecht. Es wird Prüfungen geben. Wie im Märchen.«
»Das klingt gefährlich …«
»Ist es auch! Also überleg dir das besser zweimal.«
»Nicht nötig«, meinte er. »Du bist es mir wert.« Und Zuzana spürte, wie ihr eine wohlige Wärme in die Wangen stieg.
Auf der Altstadtseite der Brücke fanden sie tatsächlich noch ein kleines freies Fleckchen für ihre Marionette. In ihrem schwarzen Mantel sah die gigantische Puppe aus wie ein grimmiger Brückenwächter, ein dunkler Gegensatz zu der Gruppe weißgewandeter Gestalten hinter ihnen. Die Engelskult-Anhänger lungerten überall herum, zündeten Kerzen an und murmelten Sprechchöre vor sich hin – bis die nächste Polizeirazzia sie für kurze Zeit vertrieb. Doch sie hielten unermüdlich an dem Glauben fest, dass die Engel an den Schauplatz ihrer dramatischsten Sichtung zurückkehren würden.
Ihr habt doch keine Ahnung, dachte Zuzana voller Abscheu, aber inzwischen war sie sich ihrer Überlegenheit gar nicht mehr so sicher. Sie hatte einen der Engel getroffen. Na und? Im Grunde wusste sie genauso wenig wie alle anderen.
Karou. Karou. Was hatte es zu bedeuten, dass sie hier gewesen war und nicht einmal hallo gesagt hatte? Und diese E-Mail! Ja, sie war absurd, so rätselhaft wie ein Schlag auf den Hinterkopf, aber … aber irgendetwas daran war einfach nur seltsam . Irgendwie so gar nicht Karou .
Und dann wusste sie es plötzlich.
Es geht mir ausgezeichnet. Es geht mir ausgezeichnet.
Karou ging es gar nicht ausgezeichnet. Eine kalte Hand krampfte sich um Zuzanas Herz. Hastig kramte sie ihr Handy hervor, um nachzuschauen, ob sie richtiglag. Der Clip war ein Klassiker, und es dauerte nicht lange, bis sie ihn gefunden hatte. Ich will aber noch nicht auf die Karre! Das war der Hinweis. Monty Python: Die Ritter der Kokosnuss. Als sie fünfzehn waren, hatten Karou und sie eine Monty-Python-Phase durchgemacht und jeden Film bestimmt an die zwanzigmal zusammen angeschaut. Und da war es, in der »Bringt eure Toten raus«-Szene.
Es geht mir ausgezeichnet!
Es war der verzweifelte Singsang eines alten Mannes, der die Leichensammler überzeugen wollte, dass er noch nicht tot war – worauf sie ihn mit einer Keule bewusstlos schlugen und auf den Pestkarren warfen. Gott. Nur Karou würde es in den Sinn kommen, mit Hilfe von Monty Python zu kommunizieren. Versuchte sie ihrer Freundin mitzuteilen, dass sie in Gefahr war? Aber wie konnte Zuzana ihr helfen? Ihr Herz hämmerte wild.
»Mik«, rief sie. Er war damit beschäftigt, seine Geige zu stimmen. »Mik!«
Priesterin einer Sandburg? Im Land von Staub und Sternenlicht?
War das auch ein Hinweis?
Wollte Karou, dass Zuzana sie fand?
Priesterin einer Sandburg
Die Kasbah war eine aus rotem Lehm erbaute Burg, eine von vielen, auf die im Süden Marokkos seit Jahrhunderten die sengende Sonne herabbrannte. Einst hatten diese stolzen, urzeitlichen Festungen mit ihren an Schlangenzähne gemahnenden Zinnen und den glatten, mit geheimnisvollen Berbermustern verzierten Mauern ganze Kriegerstämme samt ihrem Gefolge beherbergt.
In vielen der Kasbahs schlugen sich auch heute noch die Nachfahren jener Krieger durchs Leben, während die Ruinen um sie herum mehr und mehr dem Zahn der Zeit zum Opfer fielen. Aber die Burg, die Karou entdeckt hatte, war schon vor langem den Störchen und Skorpionen überlassen worden.
Als sie vor wenigen Wochen in die Menschenwelt zurückgekommen war, um Zähne zu sammeln, war sie … nun, unwillig gewesen, nach Eretz zurückzukehren. Natürlich wusste sie, dass ihr wahrscheinlich keine andere Wahl bleiben würde, aber es war einfach verdammt schwer, diesen schrecklichen Ort als ihre neue Heimat zu akzeptieren.
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