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Days of Blood and Starlight

Days of Blood and Starlight

Titel: Days of Blood and Starlight Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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ihrer einen und von Nur auf ihrer anderen Seite gespürt hätte. Die Caprinenmutter hielt ihr Baby dicht an die Brust gedrückt, und Sveva erwartete die ganze Zeit, dass Lell anfangen würde zu weinen, aber sie tat es nicht. Diese Stille war erstaunlich: perfekt und schillernd wie eine Luftblase und genauso zerbrechlich. Wenn sie zerplatzte, dann wäre es vorbei.
    Wenn Lell weinte, oder wenn jemand auf dem feuchten Boden der Höhle ausrutschte oder wenn irgendein Geräusch sich über das Rauschen des Bachs erhob, dann würden sie alle sterben.
    Auch wenn das verängstigte Kind tief in ihrem Innern gerne Rath für ihr Dilemma verantwortlich gemacht hätte, konnte Sveva das nicht. Und sie hatte es durchaus versucht. Es tat gut, jemanden zu haben, dem man die Schuld geben konnte, aber immer wenn Sveva die Frage nach der Schuld bis an ihren Ursprung zurückverfolgte, dann war da nur sie selbst , wie sie immer weiter und weiter gelaufen war, ohne auf Sarazals Rufe zu achten. »Wir sollten wirklich umkehren, Sveva!« Warum hatte sie nicht einmal in ihrem Leben auf ihre große Schwester gehört? Rath war nicht für ihre Lage verantwortlich, und außerdem wäre sie wahrscheinlich schon längst tot, wenn er nicht gewesen wäre. Und die Caprinen, na ja, sie wären jetzt gestorben. Genau in diesem Moment.
    Was für eine seltsame, schreckliche Gewissheit.
    Wenn Rath die Caprinen nicht gewittert und ihre Spur aufgenommen hätte, wenn sie sie nicht eingeholt und sich ihnen angeschlossen hätten, dann würde diese Stille überhaupt nicht existieren; dieselbe Luft wäre von ihren gellenden Schreien erfüllt, und Lell, dieses süße kleine Bündel, würde weinen, und alle anderen mit ihm. Doch so schrien nur die Aries.
    ***
    »Aries!«, rief Hazael lachend aus – lachend vor Erleichterung , so schien es Akiva –, als sie in der Schlucht nur eine Herde zotteliger Widder vorfanden und kein Schafsvolk, ja überhaupt keine Chimären.
    »Du und du«, wählte Kala zwei Soldaten aus. »Tötet sie. Und ihr …« Sie ließ ihren Blick über den Rest ihres Teams schweifen. Als sie sich vor ihnen in die Lüfte erhob, strichen ihre ausgebreiteten Flügel über die Bäume am Rand der Schlucht und schlugen Funken. »Findet die Besitzer.«
    ***
    Sveva hörte die Schreie der Aries und presste ihr Gesicht fester an Raths Schulter. Es war der Dashnag-Junge gewesen, der die Caprinen dazu überredet hatte, ihre Viehherde weiterzutreiben und dann selbst kehrtzumachen und in einer anderen Schlucht – dieser hier – Zuflucht zu suchen. Alle zusammen waren sie einfach zu viele, und die Aries machten so viel Lärm, dass es mit Sicherheit nicht lange dauern würde, bis die Engel sie entdeckten. Das hatte Rath gesagt, und er hatte recht behalten.
    Und deshalb starben die Aries.
    Sveva umklammerte die kühle, schlaffe Hand ihrer Schwester. Die Schreie der Aries waren selbst aus der Ferne schrecklich anzuhören, aber sie hielten nicht lange an, und als sie endlich verstummten, meinte Sveva zu spüren, wie die Engel über ihnen kreisten. Engel auf der Jagd. Engel auf der Jagd nach ihnen . Automatisch legte sich ihre andere Hand um den Griff ihres Messers, aber dadurch fühlte sie sich nur noch kleiner als sowieso schon, denn die Waffe war für die gewaltige, brutale Faust eines Engels gemacht.
    Vielleicht würde sie einen von ihnen damit erstechen. Wie würde sich das wohl anfühlen? Wie alle Chimären hatte sie die Engel schon immer gehasst, aber bisher nur auf eine vage, ferne Art, wie Monster aus Gutenachtgeschichten, die sie in ihrem wirklichen Leben nie zu Gesicht bekommen würde. Jahrhundertelang war dieses Land vollkommen sicher gewesen – dafür hatten die Armeen des Kriegsherrn gesorgt. Warum musste Sveva nun ausgerechnet in einer Zeit leben, in der es mit dieser Sicherheit endgültig vorbei war? Plötzlich waren die Seraphim real: heimtückische Peiniger, die auf eine Art schön waren, die die Schönheit selbst entsetzlich hässlich werden ließ.
    Und dann war da Rath, der auf eine Art wild war, die Wildheit … na ja, wenn nicht schön, dann zumindest irgendwie majestätisch machte. Stolz. Auch wenn es unvorstellbar schien, fand sie in der massigen Gestalt des Fleischfressers neben sich Trost. Erneut fühlte Sveva, wie sie an die Grenzen ihres Wissens stieß; als die Sklavenhändler sie gefasst hatten, schien sich eine ganz neue Welt vor ihr aufgetan zu haben. Sie hatte Seraphim und Wiedergänger gesehen; sie hatte den Tod gesehen und gerochen,

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