Days of Blood and Starlight
Schimpfwörtern gespickte Antwort nicht abgedruckt worden. Kaz hingegen hatte sie natürlich nicht derartig enttäuscht.
»Komm schlafen«, versuchte es Mik erneut. »Die Teufel werden morgen auch noch da sein.«
»Noch eine Minute«, antwortete Zuzana, aber natürlich blieb es nicht bei dieser einen Minute. Eine Stunde später machte sie sich eine Tasse Tee und siedelte in den Sessel neben dem Bett um. Foren würden ihr bei ihrer Suche nicht weiterhelfen; dafür hatten zu viele arme Irre sie zu ihrem Spielplatz ernannt. Also versuchte sie es auf einem anderen Weg. Anhand von Karous E-Mail verfolgte sie ihre IP-Adresse zurück nach Marokko, was nicht wirklich eine Überraschung war; als sie das letzte Mal von ihrer besten Freundin gehört hatte, war sie schließlich in Marokko gewesen. Allerdings kam die IP nicht aus Marrakesch, sondern aus Ouarzazate – War-sa-sat ausgesprochen – einer Region am Rande der Sahara, voller Palmen, Kamele und Kasbahs.
Staub und Sternenlicht? Von beidem gab es in Ouarzazate allem Anschein nach mehr als genug.
Priesterin einer Sandburg? Die Kasbahs hatten tatsächlich eine verblüffende Ähnlichkeit mit Sandburgen. Nur blöd, dass es im Süden Marokkos etwa fünfzig Millionen solcher Kasbahs gab und dass sie über Hunderte von Meilen verstreut lagen. Trotzdem wurde Zuzana ganz aufgeregt. Sie war auf der richtigen Spur! Dieses alberne Lied »Rock the Casbah« kam ihr in den Kopf, und sie summte es vor sich hin, während sie ihren Tee schlürfte und sich durch Dutzende von Seiten klickte, von denen sich die meisten als Kasbah-Hotels »mit authentischem Nomaden-Flair« herausstellten, alle mit glitzernden Swimmingpools, die in Zuzanas Augen nicht sonderlich nomadenhaft aussahen.
Und dann stieß sie auf einen Reise-Blog, in dem irgendein Franzose von seinem Trip ins Atlasgebirge geschrieben hatte. Der Bericht war nur ein paar Tage alt und bestand hauptsächlich aus Fotos von hübscher Landschaft, Kamelschatten und staubigen Kindern, die am Straßenrand Schmuck verkauften. Aber da war auch dieses eine Bild, das Zuzana dazu brachte, ihre Teetasse wegzustellen und sich aufzusetzen. Sie zoomte es näher heran und beugte sich vor. Auf dem Foto sah man den Nachthimmel, einen perfekten Halbmond, und – so undeutlich, dass sie sie wahrscheinlich gar nicht bemerkt hätte, wenn sie nicht ganz genau hingesehen hätte – Umrisse von Gestalten. Sechs schemenhafte Gestalten mit Flügeln, hauptsächlich als Silhouetten vor dem hellen Sternenhimmel zu erkennen. Da es bei Himmelsaufnahmen nie möglich war, die reale Größe abzuschätzen, war es erst die Bildunterschrift, die Zuzana den Atem verschlug:
Sagt es bloß nicht den Engeljägern, aber hier unten gibt es ein paar verdammt große Nachtvögel.
Ganz schlechte Monsterkenntnis
Karou ging zum Fluss, um zu baden – es war schon ein bisschen albern, wie sehr sie es genoss, sich die Haare zu shampoonieren, und noch alberner, dass sie fünfzehn Minuten damit verschwendete, sie auf einem heißen Stein ausgebreitet trocknen zu lassen – und als sie zu ihrem Zimmer zurückkehrte, war der Riegel an ihrer Tür verschwunden.
»Wo ist er?«, fuhr sie Ten an.
»Woher soll ich das wissen? Ich war mit dir am Fluss.«
Ja, das war sie, obwohl Karou sie überhaupt nicht hatte dabeihaben wollen. Es war gefährlich für sie, allein zu gehen, hatte Thiago gesagt, selbst nur zum Fluss, der direkt an der Kasbah vorbeifloss, und zwar direkt im Blickfeld des Wachturms . Immerhin gab es ein paar große Felsbrocken, für die Karou sehr dankbar war, weil sie sich dahinter vor neugierigen Augen verstecken konnte, wenn sie nackt war. Die Chimären waren von ihrer Menschlichkeit ebenso fasziniert wie Issa und Yasri, aber nicht auf deren freundliche Art.
»Was bist du doch für ein seltsam unansehnliches Wesen«, hatte Ten heute festgestellt, während sie Karous flügellose, krallenlose, hufenlose und ihrer Meinung nach offensichtlich auch völlig reizlose Gestalt in Augenschein nahm.
»Danke«, hatte Karou gemurmelt und sich ins Wasser sinken lassen. »Ich gebe mein Bestes.«
Sie hatte einen flüchtigen Impuls gespürt, sich von der Strömung mitreißen zu lassen, nur ein kleines Stück flussabwärts, wo sie endlich ein bisschen Ruhe vor der aufdringlichen Wölfin gehabt hätte – wenigstens für eine halbe Stunde vielleicht? Seit Tagen schon verfolgte Ten sie auf Schritt und Tritt: Assistentin und Anstandsdame, Aufseherin und Spionin.
»Was wirst du machen, wenn
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