Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
» Aber hier bin ich die höchste staatliche Autorität. Es wäre hilfreich, wenn du mich vor den anderen als solche anerkennen würdest. «
Anne schaut die Polizistin im düsteren Zwielicht der LED -Laternen ihres Lagers an.
Wendy räuspert sich und fügt hinzu: » Wir müssen als Team funktionieren. «
» Früher hab ich nicht an die Evolution geglaubt « , wirft Anne ein, die einen Auspuff betrachtet, der wie der Knochen eines riesigen Tieres vor ihnen am Boden liegt. » Aber jetzt tu ich es doch. Wir sind die natürliche Auswahl im Einsatz. Viele Menschen sind gestorben, weil sie sterben wollten. Sie haben mit Zähnen und Klauen gekämpft, um zu überleben, aber sie wollten nicht leben, wenn all jene, die sie gekannt und geliebt haben, sterben mussten oder infiziert wurden. «
» Du meinst, dass sie ein schlechtes Gewissen hatten, weil sie überlebt haben « , sagt Wendy nickend.
» Ja. Wir haben es alle. Die Frage ist, ob man zulässt, dass es einen umbringt. «
Ethan ruft ihre Namen und meldet, das Essen sei fertig.
Anne drehte sich zum Gehen um, verharrt aber dann und fügt hinzu: » Du wirst weiterhin irrsinnige Risiken eingehen … als müsstest du dich als Anführerin beweisen, und daran wirst du zu Grunde gehen. «
Wendy schaut sie kurz an. Sie kriegt keinen Ton heraus.
» Ich tu nur meine Arbeit « , sagt sie schließlich. » Ich bin für diese Menschen verantwortlich. «
» Damit rennst du bei mir offene Türen ein. Mir ist es nicht wichtig, wer die Führung hat. Ich möchte nur ein Dach über dem Kopf finden, damit die Gruppe eins hat. «
» Dann erkennst du mich also an « , sagt die Polizistin drängend.
» Nein « , sagt Anne.
Vor dem Ende der Welt ist Wendy jeden Morgen um fünf allein in ihrer kleinen Wohnung in Penn Hills erwacht. Dann duschte sie, bügelte ihre Uniform und verschlang einen Schokoriegel. Sie zog ein frisches kurzärmeliges schwarzes Hemd über einem weißen T-Shirt an und schlüpfte in die schwarzen Hosen. Sie steckte ihre Marke und ihre Abzeichen an, zog die kugelsichere Weste an und legte den Batman-Gürtel um.
Um sechs Uhr morgens meldete sie sich mit einer großen Tasse Kaffee in der Hand im Revier. Nach dem Appell fuhr sie in ihrem Dienstwagen los, verkündete der Einsatzleitung, dass sie den Dienst aufgenommen hatte, und durchquerte ihr Revier. Meist schickte die Einsatzleitung sie wegen bellender Hunde, verdächtiger, sich auf Hinterhöfen zu schaffen machender oder an Spielplätzen herumhängender Typen, Lärmbelästigung und familiärer Streitigkeiten in den Einsatz. Sie hielt Raser und Betrunkene an, protokollierte Verkehrsunfälle und Graffiti und fuhr Menschen, deren Autos stehen blieben, zur nächsten Werkstatt. Sie sperrte Tatorte ab und suchte in Wohnhäusern Zeugen von Straftaten. Und alle Nase lang musste sie anhalten, den Dienstwagen irgendwo abstellen und neunzig Minuten lang zu Fuß gehen. An manchen Tagen langweilte es sie so, dass sie beinahe einschlief. An anderen Tagen war sie so beschäftigt, dass sie außer Donuts und Slim Jims nichts zu sich nehmen konnte. Sie beobachtete andere Cops, die jeden Fall aggressiv angingen, um die Oberhand zu behalten, und versuchte, ihr unpersönliches rücksichtsloses Verhalten nachzuahmen. Nach mehreren Monaten im Dienst fing sie an, die meisten Menschen für Idioten zu halten, die man vor sich selbst schützen musste. Sie stellte Verwarnungen aus, bedrohte Frauenverprügler, aß im Dienstwagen und wartete dort auch auf den nächsten Einsatzbefehl. Nach einer Zwölf-Stunden-Schicht ging sie, sofern keine Überstunden anfielen, nach Hause.
Obwohl ein Großteil ihrer Arbeit darin bestand, den Scheiß anderer Leute wegzuräumen oder zu schlucken, war sie stolz darauf, Polizistin zu sein, und liebte ihren Beruf. Dann ging die Welt unter, und sie kam sich weder wichtig noch gebraucht vor. Ein Teil ihres Ichs frohlockte, weil sie nun ein Cop in einer gesetzlosen Welt war. Im Lande der Blinden ist der Einäugige König.
Die Überlebenden teilen das auf dem Coleman-Ofen zubereitete Corned Beef mit gedünsteten Tomaten, das mit gekochtem braunem Reis auf einem Pappteller serviert wird. Als Nachtisch gibt es Birnen aus der Dose. Obwohl der Dosenfraß allen zum Halse heraushängt, schlingt jeder seine Mahlzeit hinunter. Der Bengel spürt einen Stich des Bedauerns, als ihm jäh bewusst wird, dass er vermutlich nie wieder Hühnerflügel essen wird. So komisch es auch ist, angesichts all dessen, was man verloren hat, an
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