Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
irgendeinen dummen Scheiß labern und sich blamieren.
Wendy bedeutet ihm mit einer Geste, dass er anhalten soll. » Bist du bereit abzudrücken, Todd? «
Er nickt.
» Dann säubern wir mal diesen Gang. « Dann ruft die Polizistin: » He! Hallo! Ist jemand zu Hause? «
Aus einem der Krankenzimmer stürzt eine Frau mit einem vorn blutbefleckten OP -Kittel brüllend auf sie zu. Die Überlebenden zucken zusammen, ihre Herzen rasen. Urplötzlich dringt der Gestank von Urin in ihre Nasen. Ihre Augen tränen.
» Wer? « , fragt der Bengel.
» Du « , sagt die Polizistin.
Der Bengel wünscht sich, er könnte das Gewehr auf Salve einstellen, um es wie in einem Kinofilm rattern zu lassen, doch Sarge hat gesagt, er soll es bleiben lassen. Sarge hat gesagt, dass man niemanden zu erschrecken braucht. Man muss nur jemanden aufhalten, der auf einen zurennt, und zwar mit so wenig Munition und Energie wie möglich.
Der Bengel zielt nicht auf den Kopf der Frau, der nur ein kleines, sich unstet bewegendes Ziel bietet. Stattdessen zielt er auf die Mitte ihres Brustkorbes, betätigt den Abzug und gibt schnell drei Schüsse ab.
Der Oberkörper der Frau explodiert. Sie strauchelt, zuckt und qualmt, bevor sie von einer Wand abprallt und zusammenbricht.
Ein Mann kommt um die Ecke und stürzt sich von hinten auf sie. Wendy wirbelt herum und feuert ihre Glock ab. Die Kugel tritt in sein linkes Auge ein, zerfetzt sein Gehirn und schießt den ganzen Mist aus seinem Hinterkopf heraus. Er bricht auf der Stelle und ohne einen Laut zusammen und ist tot, ehe er den Boden berührt.
» Sauber « , sagt der Bengel mit schwacher Stimme und fühlt sich ausgelaugt.
» Ich hab mein Kaugummi verschluckt « , sagt Wendy.
Der Gang echot plötzlich von Geheul und dem Trampeln von Turnschuhen, Anzugschuhen, hohen Hacken und nackten Füßen wider. Wendy und der Bengel erstarren, atmen schnell ein, gehen Rücken an Rücken in Stellung und halten die Waffen schussbereit.
Eine Menge Leute sind im Anmarsch.
Das Sonnenlicht kann diesen Teil des Gebäudes, in dem ewige Nacht herrscht, nicht erreichen. Der Korridor verbindet die Notaufnahme mit dem Inneren des Krankenhauses. Paul und Anne erkunden ihn, suchen Vorräte und sind sich bang der Geräusche bewusst, die ihre Atmung und ihre Schritte erzeugen. Paul erhellt den Weg mit einer Leuchtfackel und enthüllt in krassen Einzelheiten blutige Handabdrücke auf den Wänden. Nach einem knappen Meter wird das Licht jedoch von der Finsternis verschluckt. Von kleinen Fliegenschwärmen umgebene Leichen liegen am Boden. Die Luft stinkt nach Putzmitteln und Verwesung. Irgendwo in der Nähe tropft Wasser. In der Ferne knallt eine Tür zu. Pauls Absätze knirschen auf den verstreuten Überbleibseln eines zerbrochenen Zungenspatelglases. Ratten schleichen an den Wänden entlang und verschwinden schließlich im Dunkeln.
» Ich hab einen Fehler gemacht, Pastor « , durchbricht Anne das Schweigen.
» Was für einen Fehler? «
» Von der Art, die man bedauert. «
Paul grunzt. Er weiß nicht, was er sagen soll. Hier geht’s ums Überleben. Er hält es nicht für möglich, dass heutzutage noch jemand lebt, der nicht irgendetwas bedauert. Er gibt sich die größte Mühe, seinen moralischen Kompass in die richtige Richtung zu drehen, aber die brutale Wahrheit lautet: Tugendhaftigkeit ist in einer Zeit wie dieser ein Luxus. Man muss eine Menge Schuldgefühle umschiffen. Er wünscht sich, es gäbe nur ein wenig Vergebung. Doch sogar Schuld ist ein für jene reservierter Luxus, die noch leben und sich sicher genug fühlen, um sie zu empfinden.
Er bleibt vor einer Tür stehen und hebt die Leuchtfackel.
» Hausmeister « , liest er vor. » Ich glaube, wir sind da. Es ist nicht abgeschlossen. «
Zu spät wird ihm bewusst, dass Anne ihn nicht als Mit-Überlebenden angesprochen hat, sondern als Geistlichen. Tut mir wirklich leid, meine Liebe, möchte er gern sagen, aber dieser Brunnen ist im Moment ausgetrocknet. Ihm wird bewusst, dass er fast nichts über die Menschen weiß, von denen sein Leben tagtäglich abhängt. Er wirft der zierlichen Frau mit dem mächtigen Gewehr mit dem Zielfernrohr und dem mit Munition gefüllten Tornister einen Blick zu und denkt: Ohne die Knarre könnte sie eine Hausfrau sein. Oder Zahnärztin. Schauspielerin an einer städtischen Bühne. Vorsitzende der Elternpflegschaft. Das Einzige an ihr, das ihn wirklich je gekümmert hat, ist jedoch ihre natürliche Begabung, die Waffe zu handhaben, denn
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