Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
die hat ihm geholfen, so lange am Leben zu bleiben, während andere Männer, die besser waren als er, gestorben sind.
» Musstest du schon mal jemanden töten, den du geliebt hast, Pastor? «
Paul erinnert sich daran, wie Sara gealtert ist und er sie auf einer gewissen Ebene als Spiegel sah, der ihm sagte, dass auch er nicht jünger wurde. Es hat ihm nicht gefallen. Der Tod? Besser als alt zu werden, hat Sara immer gesagt. Sie hatte eine gute Einstellung dazu. Hin und wieder, wenn er Angst hatte, alt zu werden und sterben zu müssen, hat er sich gefragt, wie stark sein Glaube ist. Doch selbst dann war seine Sterblichkeit nur eine Furcht einflößende Abstraktion – nicht wie die letzten neun Tage, in denen er sich fortwährend und schmerzlich bewusst war, wie dünn das Eis zwischen Leben und Tod ist. Man geht vor sich hin, und plötzlich bricht man ein, und dann ist man entweder im Himmel oder nur im Vergessen. Sara hat immer gewitzelt: Wenn du möchtest, dass man sich nach deinem Tod wirklich lange an dich erinnert – stirb jung.
Paul erinnert sich daran, dass er sich in mehreren Nächten nach der Brüllerei in der Gasse hinter seinem Haus eine Zigarette angezündet hat. So spät, dass es praktisch schon früher Morgen war. Er hatte sich nur herumgewälzt und kaum ein Auge zugemacht. Im rund um die Uhr geöffneten Mini-Markt an der Ecke hatte er eine Schachtel Zigaretten gekauft, um eine unglaublich nachhaltige Gier zu befriedigen, die er sofort nach dem Erwachen verspürte. Nun rauchte er zum ersten Mal seit Jahren. Eine Sucht zu besiegen erfordert den Glauben an eine höhere Macht. Sein Gottesglaube half, aber erst ihre Ehe hatte ihm die Kraft gegeben, der Angewohnheit zu entsagen. Nun lag Sara zu Hause auf dem Bett und war mit einem Infusionsbeutel verbunden, und er stand in der Gasse, steckte sich eine an und spürte, dass ihm sofort schwindlig wurde. Er musste husten, doch beim dritten Zug war er wieder drin. Es war wie mit dem Fahrradfahren. Er genoss die Stille. Ein Hund bellte und hörte wieder auf. Zum ersten Mal seit den letzten nasskalten Tagen empfand er so etwas wie inneren Frieden. Zumindest eine juckende Stelle war schlussendlich gekratzt worden.
Eine Gestalt tauchte unter der Straßenlaterne am Ende der Gasse auf, eine kleine Silhouette. Paul kniff kurz die Augen zusammen, um sie anzuschauen, da er sich nicht mal sicher war, ob es sich überhaupt um einen Menschen handelte. Dann erkannte er, dass sie größer wurde. Und auf ihn zukam. Sie passierte eine an der Garage des Nachbarn befestigte Lampe, und Paul erhaschte einen kurzen Blick auf ein grauenhaftes Gesicht. Die Gestalt keuchte schwer und rannte so schnell, wie ein Durchschnittsmensch laufen kann, auf ihn zu. Sie machte einen Hundertmeterlauf, und Paul war die Ziellinie. Mehrere kritische Sekunden lang war er außerhalb seines Körpers und schaute sich selbst beim Nichtstun zu. Er wusste nicht genau, ob er sich bewegen konnte; seine Beine waren wie aus Gummi.
Er begann, kläglich zu sagen: Kann ich Ihnen helfen?, doch bevor er den Satz beendet hatte, fuhr er herum, rannte auf sein Grundstück und schloss das Tor hinter sich ab, wobei sein Herz wie verrückt hämmerte. Er spürte den Mann, der vor dem Tor auf und ab ging und wie ein Tier zischte.
Noch immer von Grauen erfüllt ging Paul auf wackligen Beinen vorsichtig zu seinem Haus zurück.
Im Inneren saß Sara auf der Bettkante. Und wartete auf ihn.
» Nein « , sagt Paul. » Ich habe niemanden umgebracht, den ich liebe. Hast du’s getan? «
» Ja « , sagt Anne.
Die Tür am Ende des Korridors fliegt auf, und ein fauchender Mann stürmt heraus. Der Bengel feuert eine Salve ab, die das Gesicht des Mannes vernichtet, und weicht, als eine Horde Infizierter sich in den Gang ergießt, ständig feuernd zurück und hinterlässt zu Boden sinkende Gestalten. Ein grauenhafter Gestank breitet sich aus.
Wendy, neben ihm, hält Schritt. Der Strahl ihrer Taschenlampe lässt rote Augen funkeln. Sie gibt dem Bengel mit ihrer Pistole Deckung. Seine Knarre klemmt. Er stiert sie erschreckt und überrascht an. Die Polizistin leert ihre Glock in die fauchenden Fratzen, lässt das Magazin zu Boden fallen und schiebt ein neues hinein. Der Bengel ringt mit dem Verschluss seiner Waffe, bis eine Frau heulend mit den Krallen auf seine Augen losgeht. Er schlägt den Karabiner, den er schützend vor sich gehalten hat, mit voller Kraft in ihr graues Gesicht und bricht ihr das Nasenbein. Sie fällt aufheulend
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