Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
eingereicht hat. Er sucht nach nützlichen Dingen, hat aber bisher nichts gefunden. Eine große Zentrifuge steht auf einem Labortisch, der offene Deckel gewährt ihm einen Blick auf Reagenzgläser voller Zellen, die einst gelebt haben, doch nun tot sind. Überreste eines nicht beendeten Experiments. Als die Infizierten aus den Betten gestiegen sind, haben hier Menschen gearbeitet. Sie sind in aller Eile verschwunden. Ethan sieht einen umgekippten Stuhl mit einem frisch gebügelten Laborkittel, der noch an der Rückenlehne hängt. Ein zerbrochenes Reagenzglas liegt auf dem Boden.
Er bleibt vor einem Schrank voller zerbrechlichem Glas stehen: Reagenzgläser und Messbecher. Sie sind sauber, doch er hat eine primitive Angst davor, sie anzufassen. Keime sind in diesem Moment die größte Bedrohung für sein Überleben. Seine Instinkte funktionieren nun in dieser Hinsicht ziemlich pauschal. In der Ecke fällt sein Blick auf einen Nottank mit Flüssigstickstoff. Er schaut ihn ziemlich lange an. Der Stickstoff wird unter Druck gelagert, also könnte man vielleicht ein wenig davon abzapfen und in einen Behälter umfüllen, um eine primitive Granate zu basteln. Vorausgesetzt, man sprengt sich bei dem Versuch nicht die eigene Hand ab. Man könnte eine solche Granate auf die Infizierten schleudern und sie blitzartig einfrieren. Sofern man sich dabei nicht auch den eigenen Arm vereist.
Flüssigstickstoff ist gefährliches Labormaterial, das darf er nicht vergessen. Ist vielleicht besser, die Hände davon zu lassen. Die Sache ist es allerdings wert, meint er, ein wenig darüber nachzudenken. In dieser Welt muss man alles als potenzielle Waffe sehen. Von den fünf Grundanforderungen zum Überleben unter schwierigen Umständen steht die Selbstverteidigung nun an erster Stelle.
Ethan fummelt an einem Fluoreszenzmikroskop herum, doch es ist dunkel, inaktiv, leblos, ohne Strom. Der Raum enthält vergammelnde Labortechnik für viele Hunderttausend Dollar. Er erkennt einen Inkubator und beschließt, ihn nicht zu öffnen. Erneut wird ihm bewusst, dass Wissenschaftler hier Krankheiten studiert haben. Keine furchterregenden Krankheiten wie AIDS oder Ebola; nein, nicht in einem Labor wie diesem, aber dennoch gefährliche: Krebs, Diabetes, Emphyseme, Knochenerkrankungen. Die Pathologen haben Gewebe, Blut und Urin untersucht, um in Erfahrung zu bringen, was mit den Menschen los ist. Ärzte haben diese Tests verwendet, um Menschen mit allen Arten von Erkrankungen zu behandeln und ihre Lebenszeit zu verlängern. Forscher haben sich die kleinsten lebenden Partikel im menschlichen Körper angeschaut und sich zu verstehen bemüht, was ihm Schmerzen bereitet und wie man mit Schmerzen umgeht. Wissen, das man verwenden konnte, um manche Krankheiten leichter zu diagnostizieren, andere zu behandeln oder gar zu heilen. Nun sind die Heiler alle nicht mehr da und kehren wahrscheinlich auch nie mehr zurück.
Ethan bemüht sich, nicht an all die großartigen Dinge zu denken, die sie vielleicht noch hätten erreichen können.
Früher hat er geglaubt, er wüsste, was Stress bedeutet. Carol und er haben in ihren Berufen hart gearbeitet. Sie haben das Abendessen und das Tagesheim auf die Reihe gekriegt und den Abwasch gemacht. Sie haben das Drama der Erziehung eines kleinen Mädchens überlebt, das sich mitten im schrecklichen zweiten Lebensjahr befand. Das Leben war voller Verpflichtungen, Rechnungen, kleinen Besorgungen, Telefongesprächen, ärgerlichen Bankirrtümern, Missverständnissen und spießigen Konflikten. Es war schwer, aber seiner Ansicht nach war Stress dieser Art ein laues Lüftchen gegen das, was er in den letzten zehn Tagen mit dem Damoklesschwert über dem Haupt durchgemacht hat. Der menschliche Körper ist nicht dazu geschaffen, ein solches Angstniveau über so lange Zeit hinweg zu ertragen. Ist man der Todesgefahr zu lange ausgesetzt, bekommt man weißes Haar oder der Verstand setzt aus.
Carol und er haben ihr Bestes gegeben. Oft hat ihr Frust auch an der Oberfläche gekocht, und sie haben sich gezankt. Sie haben sich bei der Zubereitung des Essens und beim Verzehr desselben gestritten, und als sie aufgeräumt und Mary zu Bett gebracht haben. Jeder wusste, wie weit er gehen konnte, wie weit man den anderen auf die Palme treiben konnte, ohne dass es echt schlimm wurde oder die Kleine es merkte. Hin und wieder ging einer von beiden auch zu weit. Dann gab es verletzte Gefühle. Wenn es passierte, wurde der Zank schlimmer. Dann sprang
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