Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
entlang. Sie schleifte ihn mit. Brave Bürger aus den Vororten, die mit Gewehren, Baseballschlägern, Brechstangen, Küchenmessern und Gartengeräten bewaffnet waren. Sie riefen, sangen und schwenkten Fahnen, die verkündeten: Wir sind die Mehrheit, wir verteidigen unsere Heimat und werden nicht weichen. Einer trug eine Bibel und ein großes Holzkreuz. Es waren Hunderte. Die Anführer brüllten und schleiften acht Infizierte mit, die sich fauchend gegen die Handschellen und die um ihren Hals gelegten Stricke wehrten. Die Männer hielten mitten auf einer Kreuzung an, warfen die Seile über eine Ampelanlage und fingen sofort an, die um sich tretenden und nach Luft schnappenden Infizierten hochzuziehen. Paul bahnte sich einen Weg durch die applaudierende Menge, um besser sehen zu können. Er war erst zufrieden, als er sah, dass Sara nicht zu den Opfern gehörte. Die Luft roch nach Qualm. Die Infizierten waren aufgehängt und strampelten und zuckten, bis sie starben. Der Mob jubelte, einige schossen mit Gewehren auf die Leichen, während andere » The Star-Spangled Banner « sangen. Schließlich fielen alle in das Lied ein, und Tränen liefen über ihre Wangen. Paul fiel das Atmen schwer. Mehrere Menschen bemerkten sein geistliches Gewand, schüttelten ihm die Hand und schoben ihn an den Anfang der Prozession, wobei sie im Chor riefen: » Segne uns! Segne uns! « Ein Mann mit einem Vokuhila und einem Jagdbogen, der auf der Motorhaube eines Autos stand, zog ihn mit einer Hand zu sich hinauf und klopfte ihm auf den Rücken. Paul schaute verärgert auf die johlende Menge hinab und traute der Stimmung nicht. Was konnte er sagen, das die Menschen hören wollten? Sollte er ihnen erzählen, dass Gott auf ihrer Seite war und es guthieße, wenn sie ihre Brüder und Schwestern am helllichten Tag ermordeten? Sollte er sie mit einer Hymne – etwa » Vorwärts, christliche Soldaten « – zu Mord und Folter aufstacheln? Dann begriff er, wie ängstlich alle waren. Sie blickten begierig zu ihm auf. Wenn er je die Kraft und Hoffnung christlicher Liebe gebraucht hatte, dann jetzt. Sie waren nun still, wenn man vom Geschrei ihrer Säuglinge absah. Zwei Militärflugzeuge düsten über ihnen am grauen, rauchigen Himmel entlang. Ihnen folgte das Knallen ferner Explosionen. Pauls Herz ging auf. Er hob die Hände und gab der Menge seinen Segen.
» Euer Krieg ist gerecht « , sagte er.
Damit ein Krieg wahrhaft gerecht ist, dachte er, muss der Soldat nicht mit Hass, sondern mit Liebe töten. Dies war vielleicht der erste Krieg der Geschichte, in dem die Kombattanten jene töten müssten, die sie am meisten liebten.
Die Menschen am Rand der Menge fingen an zu schreien. Infizierte strömten über nahe Rasen und Gärten in ihre Mitte und schlugen und bissen sie. Gewehre und Pistolen krachten durcheinander, danach triumphierendes Geschrei. Mehrere Menschen schlugen sich über einem gebissenen, frisch infizierten Mädchen, das zuckend am Boden lag.
» Brüder und Schwestern « , sagte Paul zu den Leuten. » Der Herr ist mit euch. Fürchtet euch nicht. «
Weitere Infizierte stürmten auf die Menge zu und sandten Wogen von Panik durch ihre Reihen. Einige Menschen liefen fort, andere rückten dichter zusammen, um sich zu schützen. Sie stolperten über das infizierte Mädchen, das zuckend unter ihren Füßen lag. Eine heulende Horde tauchte auf, und die Menge zerstreute sich schreiend und schießend. Der Kampf wogte hin und her. Die Menge löste sich langsam auf, wie ein von Haien umzingelter verletzter Wal, der um sich schlug und mit jedem Biss dem Tod näher kam. Paul war bald allein und sah den letzten Grüppchen zu, die ihre Fahnen fortwarfen, flohen und Dutzende von Menschen zurückließen, die am Boden lagen. Eine kleine Gruppe von Kämpfern blieb in einem Rauchschleier zusammen. Sie riefen einander zu und feuerten ihre Waffen ab, bis die Infizierten sie überrannten.
Paul öffnet die Augen und ist wieder in der Krankenhauskapelle, das Gesicht nach oben gewandt, zur Decke.
Er spricht ein stummes Gebet für die Toten und singt dann laut und mit einem widerhallenden Bariton: » Amen. Amen. Ahhh-men. «
Die anderen Überlebenden schauen ihn an. Sie wirken ergriffen. Wendy wischt sich mit der Hand über die Augen. Paul fragt sich, ob er bei der lebhaften Erinnerung an den schrecklichen Tag etwas gesagt hat. Er spürt, dass auch sein Gesicht feucht ist. Er hat geweint. Ihm wird klar, dass er überhaupt nicht gesungen hat. Er hat gestöhnt.
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