Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
Eigentlich hat er sich gar nicht erinnert: Er hat es noch mal erlebt. Aber er kann sich nicht mehr entsinnen, was danach geschah. Die Kämpfer haben ausgeharrt und sind im Rauch gestorben. Dann: nichts mehr.
Sie alle kennen diese Flashbacks. Ihre Erfahrungen sind so real und sitzen so tief, dass jeder für sich schwört, er hätte eine Form der Zeitreise entdeckt. Doch im Gegensatz zu den Zeitreisen, denen man anderswo begegnet – etwa im Kino – kann diese Art der Zeitreise den Verlauf der Geschichte nicht ändern. Sie sind alle dazu verdammt, die Vergangenheit ständig wieder zu erleben. Und egal wie oft man diese Vergangenheit besucht, richtig verstehen kann man sie nie.
Die Überlebenden betreten das Geschenklädchen mit der Waffe im Anschlag und sichern den Raum so, wie Sarge es ihnen beigebracht hat: Man schwärmt zu den Wänden hin aus und geht im Kreis wieder zur Tür zurück.
» Alles sauber « , meldet einer nach dem anderen. Dann wird geplündert.
Ethan hat erneut das Gefühl, dass die Welt zu einem riesigen Museum geworden ist, das sich dem Tag widmet, an dem sie geendet hat. Die Zeitschriften und Zeitungen, die in den Regalen liegen, krakeelen dramatische Schlagzeilen über die Brüllerei in die Welt hinaus. Seine Finger fahren über Grußkarten hinweg und pausieren vor einem Sortiment von Plüschtieren und glänzenden Luftballons, auf denen Es ist ein Junge! oder Gute Besserung! oder Alles Gute zum Muttertag! steht.
Hinter ihm öffnet Wendy einen abgeschalteten Kühlschrank und lädt die Wasser- und Saftflaschen darin in einen Jutesack, der an dem Rollstuhl hängt, den sie als Einkaufswagen verwenden. Paul zündet sich mit einem müden Seufzer eine Zigarette an und nimmt auf einem Illustriertenstapel Platz. Todd schaufelt Bonbons und Kaugummi in einen anderen Beutel. Anne pirscht mit der Taschenlampe an anderen Regalen entlang, krallt sich Aspirintabletten, eine Nagelschere und ein Deodorant.
Todd hebt seinen Bonbonbeutel hoch, schüttelt ihn und sagt: » Süßes oder Saures. «
» Glaubt ihr, dass die noch wissen, wer sie sind? « , fragt Ethan.
» Meinst du die Infizierten? « , fragt Todd.
» Ja. Glaubt ihr, ihr Bewusstsein wurde ausgetauscht, oder glaubt ihr, dass sie noch immer in ihrem Körper gefangen sind und von dem Virus gezwungen werden, Dinge zu tun, die sie gar nicht tun wollen? «
» Die Vorstellung, dass sie noch in sich drin sind und zuschauen müssen, wie sie über Menschen herfallen, ohne etwas dagegen tun zu können, behagt mir nicht « , sagt Wendy. » Wie auch immer: Es ist barmherzig, sie zu töten. «
» Wenn sie träumen, erinnern sie sich vielleicht, wer sie sind « , sagt Todd. » Das wäre doch ein schöner Gedanke. « Er fügt schnell hinzu: » Oder das Grauen an sich. «
Ethan hebt ein Stofftier auf, drückt es zusammen und lässt es auf den Boden fallen. » Ob sie uns wohl noch lieben? Ob sie uns erkennen, wenn sie uns angreifen, und uns lieben, so wie wir sie erkennen und lieben, wenn wir sie töten? «
Pauls Kopf ruckt hoch, und er schaut Ethan an.
» Solche Fragen möchte niemand gern hören « , sagt Anne.
» Es sind die einzigen Fragen, die es wert sind, gestellt zu werden. «
Die Tür zum Maschinenraum ist verschlossen. Sarge und die Panzermannschaft gehen raus zum Bradley, um den Abbruchkoffer zu holen, der einige Riegel C4-Plastiksprengstoff und Zünder enthält. Sie wollen einen C4-Klotz abschneiden, den Türknauf damit umhüllen, einen Zünder reinstecken und Kabel bis zu einem sicheren Ort ziehen und den WUMM machen. Die Soldaten bringen dem Sprengstoff eine ungezwungene, doch tiefe Wertschätzung entgegen. Man kann das Zeug werfen und treten, ohne dass es hochgeht. Zündet man es an, brennt es schön langsam vor sich hin. Wenn die Umgebung ordentlich belüftet ist, kann man seine Marschverpflegung darauf kochen, wie Sarge es in Afghanistan mehrfach getan hat. Man kann es wie Knetmasse in jede nötige Form bringen. Wenn man es mit einem Zünder versieht, kann man Häuser in die Luft sprengen.
Sie bewegen sich schnell, das Gewehr an der Schulter schussbereit, und verständigen sich nur mit Handzeichen. Papier und loser Müll wird über den Parkplatz geweht. Die Garage, in der der Panzer unter einer Plane abgestellt ist, wirkt zwar leer, doch die Horden neigen dazu, so urplötzlich aufzutauchen wie früher Flashmobs. Außerdem ist man daran gewöhnt, kein Risiko einzugehen. Vorsicht ist den Männern zur zweiten Natur geworden. Als die Soldaten
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