Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
wisse er genau, was er redet. » Ich bewerte unsere Lage wie folgt: Wir sitzen in der Scheiße. Sonst noch Fragen? «
Vor dem Weltuntergang hätte man Todd niemals beim Fernsehen erwischt, weil er es als Opium für die Massen ansah und für große Zeitverschwendung hielt. Er war mit dem Internet aufgewachsen. Er hatte Stunden damit zugebracht, den Bildschirm seines PC s anzugaffen, von einer Seite zur nächsten zu springen und ihm völlig fremde Menschen in irgendwelchen Foren und Chaträumen in anstößige Debatten über Waffen, Taktiken und Regeln seiner Lieblingsspiele World of Warcraft und Warhammer 40,000 zu verwickeln. Sein abendliches Ritual nannte er » Ich mach den Time Warp « . Er setzte sich nach dem Abendessen an den Computer und nach einigen Stunden, die an ihm vorbeizischten wie Minuten, nörgelte dann seine Mutter, er solle zu Bett gehen.
An einem Abend vor sieben Monaten, als er über der Tastatur hockte und seine Blase kurz vorm Platzen war, rief Mutter unten seinen Namen, den er wie üblich überhörte, da es unter seiner Würde war, auf den ersten Ruf der Alten zu reagieren. Kaum eine Minute später rief sie ihn erneut.
» WAS IST ? « , brüllte er in blinder Wut.
» Komm runter! «
» Ich werde dieses Spiel nie gewinnen « , quengelte Todd und seufzte laut.
Er latschte nach unten, wo er urplötzlich erstarrte. Auf dem Wohnzimmersofa saß April Preston. Sie trug Jeans, einen Pulli und hatte eine Brille auf.
April war in der Klasse über ihm. April war beliebt. April war wunderschön, auch mit Brille.
» Hey « , sagte er, nachdem er sich erholt hatte.
» Hey. « Sie lächelte verlegen.
» Ich dachte, du würdest sie gern begrüßen « , sagte Todds Mama. » Ihr seid doch in der gleichen Schule. «
» Verschiedene Klassen « , sagte Todd.
» Stimmt « , sagte April.
» Aprils Wagen ist kaputt « , sagte sein Papa. » Wir haben gerade die American Automobile Association angerufen. «
» Ausgezeichnet. « Todd nickte.
» Möchtest du ’ne Pepsi oder was anderes, April? Vielleicht was zu essen? «
» Kein Bedarf, aber danke, Mrs. Paulsen. «
» Musst du deine Eltern anrufen? «
» Hab ich schon gemacht, danke. Mein Papa holt mich ab. «
Während sie sich unterhielten, begutachtete Todd April. Er war nervös. Obwohl sie ihm persönlich nie etwas getan hatte, war sie vermutlich fähig, ihm jemanden auf den Hals zu hetzen. Und ganz bestimmt hing sie mit solchen Typen auch rum. Offenbar hielt sie die dämlichsten Vollpfosten für unwiderstehlich attraktiv, schließlich ging sie mit ihnen aus. Du beleidigst Menschen, die jünger und schwächer sind als du, und du spielst Football? Boah, du bist ’n heißer Typ! Nun saß sie bei ihm zu Hause. Musste er das als Invasion betrachten? Allem Anschein nach war selbst sein Elternhaus verletzbar. Die Leute konnten einfach reinmarschieren. Er malte sich aus, dass April allen in der Schule erzählte, in was für einem bekloppten Haus er wohnte und wie bescheuert seine Eltern waren. Außerdem würde sie sie nachäffen: Ich hab gerade die AAA angerufen. Willste ’ne Pepsi?
Sie sah allerdings nicht besonders bedrohlich aus. Eigentlich sah sie sogar noch nervöser aus, als Todd sich fühlte. Er empfand plötzlich das überwältigende Bedürfnis, etwas Galantes zu tun. Vielleicht konnte er sie beeindrucken, damit sie der ganzen Welt erzählte, was für ein lässiger Typ er in Wirklichkeit war.
Todd sah, dass seine Eltern den Raum verlassen hatten und April die auf ihrem Schoß liegenden Hände begutachtete.
» Muss toll sein, in der letzten Klasse zu sein « , sagte er.
April lächelte erneut und nickte.
» Ähm … Gehst du aufs College? «
» Ich würde gern aufs College gehen « , sagte April. » Vielleicht geh ich aufs Penn State. Und du? «
Todd blinzelte. » Ich? Weiß noch nicht. Also, ich würd ja gern gehen, und ich werd auch ganz bestimmt gehen, aber ich hab mir noch keins ausgesucht. Bis ich meinen Abschluss mache, ist es noch ’ne Ewigkeit hin. «
» Na, hör mal, du bist doch clever. Wahrscheinlich kannst du dir aussuchen, wo du hinwillst. «
Todd wusste nicht, was er sagen sollte. April hatte das erste Gesetz des Dschungels verletzt, das da lautet: Lobe niemals jemanden mit überdurchschnittlicher Intelligenz. Man konnte ein großartiger Sportler, ein großartiger Musiker, ein großartiger Konsument von Bier in Maßkrügen sein, aber doch niemals ein großartiger Schüler. Allmählich hatte er den Eindruck, sie stünde
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