Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
jeden Gedanken aus. Alle zucken zusammen und halten sich im Nachhinein die klingelnden Ohren zu. Dann wieder ein BUMM , das sie hin und her schubst und in sämtlichen Brustkörben dumpf vibriert.
Wieder erfüllt das Brüllen die Luft. Ihm folgt ein drittes BUMM . Irgendetwas kracht wiederholt gegen den Panzer. Das Fahrzeug versucht, an Tempo zu gewinnen, ruckt voran, korrigiert den Kurs. Wendy sieht, dass Paul die Arme um seinen Brustkorb schlingt, die Augen fest zusammenkneift und lautlos die Lippen bewegt. Sie hat den Pastor bisher noch nie beten sehen. Die Vorstellung, dass sie im Panzer in Gefahr sind, verstört sie zutiefst.
Das Gebrüll scheint kein Ende zu nehmen. Es stürzt in Wogen endloser Verzweiflung und Wut herab und kratzt wiederholt über die Kreidetafel ihrer Nerven. Es erfüllt die Luft so ganz und gar, dass sie Mühe hat zu atmen. Ihr Verstand reicht noch, um zu erkennen, dass das, was dort draußen randaliert, groß, stark und wütend ist. Einen Moment lang wundert sie sich über das Volumen seiner Lunge. Dann schaltet ihr Gehirn völlig ab, denn das schreckliche Geräusch des Angriffs baut sich weiter und weiter auf.
Das Geräusch durchdringt die dünne Hülle, die Wendys Verstand zusammenhält, und sie schreit los. Es klingt so dünn und fern wie das Weinen eines Kindes, das sich verlaufen hat und in einen Windkanal hineinruft. Sie streckt die Arme aus. Todd packt sie und hält sie fest, bevor ein neues BUMM sie fest gegeneinander und auf die Kartons schleudert. Todd schlägt in blinder Panik mit der freien Hand auf die Kartons ein. Gegenüber ruft Anne wütend irgendwas. Paul verzieht das Gesicht und hält sich mit beiden Händen die Ohren zu.
Die Belagerung dauert Jahre. Oder nur Minuten. Das Ding draußen scheint plötzlich das Interesse zu verlieren und bleibt zurück. Ein letztes Zittern fährt durch die Panzerung des Bradley und ihre Knochen. Das letzte Brüllen flaut ab und lässt ein betäubendes hallendes Klingeln in ihrem Gehör und eine kitzelnde Vibration in allen Brustkörben zurück. Das Ding schreit wehleidig in der Ferne, als wäre es traurig darüber, dass der Bradley weiterfährt, und als riefe es ihn zurück. Wendy schnappt nach Luft, ihr Herz schlägt in der Brust wie eine Glocke. Sie sieht die entsetzten bleichen Mienen im Dunkeln weinen und erkennt sie kaum wieder. Sie fasst sich an den Mund, weil sie nicht genau weiß, ob sie schon aufgehört hat zu schreien.
Der Bradley kracht durch einen verlassenen Kontrollpunkt des Militärs, und dann sind die Überlebenden endlich aus Pittsburgh heraus. Hinter ihnen brennt die Stadt wie ein früher Sonnenaufgang.
RÜCKBLENDE: SERGEANT TOBY WILSON
Der Gefechtsaußenposten Sawyer wies die ganze Schönheit einer schwer befestigten Barackenstadt auf. Doch die Berge waren atemberaubend. Hier war das Dach der Welt.
Afghanistan. Afghanenland.
Als der Bradley über die Kuppe kam und an der Böschung entlangfuhr, hatte Sarge, der bei offener Luke auf dem verstellbaren Sitz hockte, zum ersten Mal gute Aussicht auf den Außenposten. Er war aber nur eine kleine Insel in einem weitläufigen Archipel von über den Bergen verteilten kleinen Truppenstützpunkten.
Die hiesigen Soldaten nannten ihn aufgrund der häufigen Mörserangriffe Mortaritaville.
Sawyer hockte auf einem langen Hang, ein weitläufiges kleines Lager aus Sandsack-Bunkern, Hütten und Zelten, um die herum stabile Balkenwälle und Reihen von Stacheldraht errichtet worden waren. Von hier aus, auf der Kuppe, wirkte das Camp winzig und schwach.
Sarge stieß einen Pfiff aus. Die Lage des Camps war ungünstig. Man konnte es von mehreren Graten aus einsehen. Von oben konnten afghanische Krieger Mörsergranaten aufs Gelände schießen, sich hinter die Grate zurückziehen und verschwinden. Der nächste Hubschrauberstützpunkt war mindestens fünfundzwanzig Flugminuten entfernt. Kein Wunder, dass die Jungs, die an diesem abgelegenen Ort in fast völliger Isolation lebten, mit einem Gegner, der jederzeit von überall zuschlagen konnte, als fatalistisch galten.
Der Bradley holte allmählich einen der hochachsigen afghanischen Lastwagen ein, die mit satten, hellen Farben bemalt und pfundweise mit Glitzerkram verziert waren. Grellbunte Frauenaugen auf der Heckstoßstange schauten ihn so geheimnisvoll an wie Katzenaugen. Der Laster war hinten offen. Mehrere Männer saßen auf der Ladefläche. Sie trugen die bei den Afghanen üblichen ausgebeulten Hosen und losen Kampfanzugjacken.
Sarge
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