Dead: Band 1 - Roman (German Edition)
«
» Anne? «
» Mach auf, Trudy. «
Die Tür ging auf. Trudy Marston sah sie und die Kinder an. Dann blickte sie an ihnen vorbei zum Gehsteig und zur Straße.
» Alles in Ordnung, Anne? «
» Und wie. « Anne widerstand dem Drängen, sich umzudrehen und nachzuschauen, was Trudy sah. » Hör mal, meine Liebe … Pass ein bisschen auf meine Kleinen auf. Ich sehe mal im Park nach, was Big Tom so treibt. «
Trudy machte die Tür weiter auf und zeigte ihr hageres Gesicht. » Mein Gott, ist alles in Ordnung mit ihm? «
Anne lächelte grimmig. » Wenn ich mit ihm fertig bin, kann man das wohl nicht mehr sagen. «
Die Stimme ihrer Nachbarin wurde plötzlich schrill. » Was hat er sich denn nur dabei gedacht, heute rauszugehen? «
Anne blinzelte. » Ach, lass nur. Ich werde ihn halt nach Hause holen. Kannst du auf die Kinder aufpassen? «
» Nein, tut mir leid. Hugo geht’s gar nicht gut. Er wälzt sich schon den ganzen Morgen hin und her und schreit im Koma. Ich muss ihn ständig im Auge behalten. «
» Du weißt, dass wir Hugo in unsere Gebete einschließen, Trudy. Wenn er sich im Bett herumwälzt, ist das ein Zeichen dafür, dass er bald wieder zu sich kommt. Wenn er im Schlaf ruft, ist er nicht mehr im Koma. Glaub mir, du weißt doch, dass ich Krankenschwester war, bevor ich Peter bekam. Sie werden bald alle aufwachen. Das hoffen wir doch alle. «
Ein Ausdruck des Grauens huschte über Trudys Miene.
» Geht’s dir gut, Trudy? «
» Ja, das hoffe ich auch « , sagte Trudy mit müder und schwächer werdender Stimme. » Jedenfalls muss ich ihn ständig beobachten. Ich muss doch vorbereitet sein, wenn er wach wird. « Sie lachte rasselnd. » Trotz allem, was war, kann ich ihn nicht verlassen. Ist das nicht zum Schreien? «
» Tja, nun hast du drei Helferlein, die mit dir auf ihn aufpassen. Stimmt’s, Helfer? «
» Ja, Mama « , sagte Peter und schaute Trudy skeptisch an.
» Das ist keine gute Idee, Anne. «
» Kommt schon, Kinder, geht rein. « Anne schob ihre Kinder durch die Tür. Sie unterdrückte ein Husten. Das Haus stank nach saurer Milch. Ihre arme Nachbarin hatte sich, seit Hugo während der Brüllerei umgefallen war, ziemlich gehenlassen. » Ich bitte dich nur um eine Viertelstunde, Trudy. «
» Bitte … «
Anne sah zum Himmel auf. Sie hätte fast gelacht. Warum waren die Leute heute alle nur so zickig? » Hör mal, der Park ist doch gleich da drüben. Ich brauch nur fünf Minuten bis dorthin. Ich bin sofort zurück. Ich schwöre es. «
Es fiel den Menschen nicht leicht, Anne Leary etwas zu verweigern.
Anne eilte fast im Laufschritt zum Park. Die Wut auf ihren Mann, weil sie sich seinetwegen Sorgen machen musste, spornte sie an. Am Rand des Parks zögerte sie. Wenn sich dort ein paar Irre rumtrieben, war es vielleicht keine gute Idee, gleich auf sie zuzugehen. Sie war zwar eine starke Persönlichkeit und konnte reden, aber sie war klein und konnte Gewalt nicht ausstehen. Eine große Klappe half einem nicht immer weiter, und ihr fehlte Big Tom an ihrer Seite, um sie zu unterstützen. Sie suchte den sauber gestutzten Rasen und die Bäume nach Anzeichen von Freunden oder Feinden ab. Sowie überhaupt nach Menschen. Der Wind ließ die Blätter rascheln. Der Spielplatz war leer, die Schaukeln bewegten sich, als wären sie verzaubert, leicht im Wind.
» Tom? « , sagte Anne, und es gefiel ihr überhaupt nicht, wie furchtsam ihre Stimme klang.
Wo waren denn all die Leute? Normalerweise hielten sich an schönen Tagen wie heute viele Menschen hier auf, selbst an Montagen, und selbst nachdem die Brüllerei alles verändert hatte.
Ihr fiel eine im Osten aufsteigende Rauchsäule auf. Dort lag die Innenstadt. Da war ein Großbrand. Die Sirenen näherten sich. Als Anne auf die Bäume zuging, hörte sie einen Knall. Ausgerechnet, dachte sie. Wer veranstaltet denn um diese Zeit ein Feuerwerk?
» Tom! « , rief sie, nun kühner. » Tom! «
Sie durchquerte mehrmals den Park und suchte nach Spuren, fand aber keine. Da sie keine Armbanduhr besaß, teilte sie ihre Zeit nach Gefühl ein. Aus fünfzehn Minuten war im Nu eine Stunde geworden. Die Sirenen wurden lauter, bis Anne plötzlich auffiel, dass die meisten verstummten. In der Innenstadt schienen nun alle ein Feuerwerk zu veranstalten. Die Zeit raste dahin wie nichts. Aus Annes Wut wurde Panik. Sie spürte, dass der Tag ihr entglitt.
» Tom, es tut mir leid « , schrie sie und rannte blindlings hin und her. » Es tut mir leid! Aber komm jetzt endlich
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