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Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Titel: Dead Beautiful - Deine Seele in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Woon
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teilten. Und so lauschten wir unseren Mitschülern, wie sie die Verse aufsagten, die Aischylos vor Jahrtausenden geschrieben hatte, Verse von Besessenheit und Verlangen, Rache und Fluch und von Liebenden, die Seite an Seite zu sterben verdammt waren.
    Eine unnatürlich lange Stille riss uns bald aus unserer Träumerei. Wir drehten uns zur Bühne, wo der Junge, der den Orest spielte, hilflos herumstand und blind ins Publikum blinzelte, als hätte er den Faden verloren.
    Sämtliche Augen waren auf ihn gerichtet. Er wiederholte sein Stichwort und lehnte sich dann zurück, um Professor Urquette etwas Dringendes zu signalisieren.
    Ein Raunen ging durch die Menge. »Hat der seinen Text vergessen?«, fragte jemand.
    Ich sah verdutzt auf die Bühne. »Das ist jetzt Nathaniels Einsatz«, erklärte ich Dante. »Ich hab ihm beim Lernen geholfen. Wo bleibt der denn?«
    Irgendjemand hinter dem Fackelbogen scheuchte ein mageres Kerlchen nach vorn auf den Rasen.
    »Das ist nicht Nathaniel«, sagte ich, meine Augen auf den teiggesichtigen Rotschopf geheftet.
    Und ich hatte recht – es war Nathaniels Zweitbesetzung, der spindeldürre Kurt Mayburg aus dem dritten Jahrgang.Er trug kein Kostüm und wirkte völlig unvorbereitet. Orest wiederholte seinen Text und Kurt wollte gerade als Elektra antworten, als plötzlich unter ihm der Boden zusammenbrach. Hilflos griff er ins Leere und versank im Erdreich.
    Das Publikum hielt wieder kurz inne; keiner wusste, ob das Teil der Inszenierung sein sollte oder nicht. Ich reckte meinen Kopf und versuchte, alles über die Köpfe vor mir hinweg zu verfolgen. In der ersten Reihe schrie jemand auf. Unter den Zuschauern brach das Chaos aus.
    Dante und ich standen auf und versuchten zu sehen, was passiert war. Rektorin van Laark, Professor Bliss, Professor Lumbar und Miss LaBarge schoben sich durch die zusammengedrängten Schüler nach vorn, wo sie sich um das Loch vor der großen Eiche herum knieten. Die Rektorin rief Professor Bliss unverständliche Befehle zu, während der sich ins Loch hinabließ.
    Um uns herum rannten Menschen die Wege hinunter; einige kreischten, während andere sich vorne versammelten, um alles mitzukriegen.
    Auf einmal schnellte eine Hand aus dem Loch und suchte am erdigen Rand nach Halt. Professor Lumbar und Professor Chortle griffen nach ihr und zerrten Professor Bliss aus dem Loch und ins feuchte Gras. Er hielt einen Körper an sich gedrückt.
    Ich riss an meinem Kragen. Es war Nathaniel, ich wusste es, auch wenn er so mit Erde beschmiert war, dass ich sein Gesicht nicht erkennen konnte. Ich schob die Leute einfach zur Seite und schlug mir eine Schneise nach vorn. Durch die entfesselte Menge konnte ich nichts sehen außerKurt, der hustend ebenfalls aus dem Loch kletterte und sich die Erde aus dem Haar schüttelte. Alle anderen standen um Nathaniel herum. Zwei Krankenschwestern aus dem Publikum waren zu ihm gerannt und prüften seinen Puls, öffneten und schlossen seine Lider und leuchteten ihm mit einer winzigen Taschenlampe in die Pupillen. Nathaniel rührte sich nicht.
    Als ich endlich vorn angekommen war, trugen sie Nathaniel schon auf die Krankenstation. Mrs Lynch und einige von der Schulverwaltung versuchten, die Schüler vom Loch fernzuhalten. »Ist er okay?«, fragte ich wieder und wieder, aber keiner schien eine Antwort darauf zu haben.
    Weiter entfernt entdeckte ich Annette LaBarge. Sie stand gemeinsam mit der Rektorin und den Professorinnen Lumbar und Urquette etwas abseits vom Geschehen. Hinter die Bäume geduckt, schlich ich mich näher, bis ich in Hörweite kam, und lauschte, Dante mir auf den Fersen.
    »Hast du das genehmigt?«, fragte Professor Lumbar so leise, dass ich erst dachte, ich hätte sie falsch verstanden.
    Ich sah Dante an. »Was meint die mit genehmigen ?«
    Dante schüttelte den Kopf und legte einen Finger an die Lippen. Vielleicht meinte sie die Genehmigung, das Stück genau über den Katakomben aufzuführen.
    Die Frage schien die Rektorin aufzuwühlen und sie zögerte mit der Antwort. »Nein. Und dies ist kaum der rechte Ort, um solche Dinge zu besprechen.«
    »Hier werden Schüler angegriffen, Calysta«, sagte Professor Lumbar entschieden. Einer Festung gleich stand sie neben dem zarten Körper von Miss LaBarge und hielt ihre Hände wie ein Gefängniswärter in die enormen Hüftengestemmt. » Kaum der rechte Ort ist hier kein Argument mehr.«
    »Edith hat recht«, meinte Miss LaBarge. »Wir sollten die Schüler nach Hause schicken. Hier ist es

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