Dead Beautiful - Deine Seele in mir
die vorher nicht da war – eine Leere, die sie permanent zu füllen trachten. Es ist ein Instinkt. Wie ein Tier auf Futtersuche.«
»Aber wenn es ein Instinkt ist, warum sollten wir dann eingreifen? Wenn das Teil des natürlichen Kreislaufs ist, warum können wir ihn dann nicht einfach seinen natürlichen Lauf nehmen lassen?«
»Die Natur hat auch uns geschaffen. Und in erster Linie zählt in der Natur das Leben. Ohne Leben gäbe es nichts. Und was ist mehr wert – das Leben eines Kindes oder das Leben eines Untoten, der bereits seine Chance auf Leben hatte?«
Ich dachte an Dante und an den Menschen, der seine Seele in sich trug. Wer konnte sich schon anmaßen zu sagen, dass das Leben dieses Menschen wertvoller war als seines? Wie konnte man überhaupt den Wert zweier Leben vergleichen?
Mein Großvater unterbrach meine Gedanken. »Renée, du bist dazu geboren. Es wird immer in dir stecken, wie sehr du dich auch dagegen sträuben magst. Jede Gabe kann zum Guten und zum Bösen eingesetzt werden. Wenn du es unfair findest, nutze deine Fähigkeiten, um es fair zu machen. Arbeite mit dem, was du hast.«
»Meinst du damit, dass ich lernen soll, wie man die Untoten umbringt? Selbst wenn ich das wollte, was nicht der Fall ist«, betonte ich rasch, »dann wüsste ich gar nicht, wie.«
»Da gibt es einige Möglichkeiten. Eine Art, einen Untoten zu ›töten‹, um es so zu sagen, besteht darin, seinenKörper vollständig zu zerstören. Feuer, Explosion und des Weiteren mehr. Ich persönlich finde diese Methode etwas unschön und schwer zu kontrollieren. Das Feuer breitet sich aus und im Handumdrehen hat man eine Situation wie bei den kalifornischen Waldbränden.
Alternativ kann man den Untoten einfangen und ihn mit Gewalt begraben oder einbalsamieren. Deine Eltern waren Anhänger dieser Methode. Sie ist weitaus schwieriger und gefährlicher, aber sie fanden sie am humansten.«
Ich schluckte. Das kam beides nicht für mich infrage.
»Und dann gibt es natürlich noch eine andere Möglichkeit.«
Ich wickelte das Telefonkabel um einen Finger und wartete.
»Sie zu lehren, das Leben der anderen zu achten. Wie das Gottfried es tut. Wie deine Eltern es taten, als ›Lehrer‹.«
»Und du? Bist du auch ein Wächter?«
»Es liegt in unserem Blut. In deinem Blut.«
»Ein Wächter«, wiederholte ich leise.
Die Erkenntnis kam schlagartig und ich fiel in meinen Stuhl zurück. Sollte Dante irgendwo seine Seele wiederfinden und versuchen, sie sich zurückzuholen, dann würde ich ihn umbringen müssen. Und wenn nicht, würde er langsam verrotten. Wie ich es auch drehte und wendete, das Ergebnis blieb das gleiche. Ich war dazu verdammt, ihm beim Sterben zuzusehen.
Mein Großvater sagte noch etwas, aber ich hörte nicht mehr zu. Ich müsse Schluss machen, behauptete ich und brach das Gespräch ab. Dann warf ich mir einen Mantel um und kletterte in den Kamin.
Achtzehntes Kapitel
Die Hüllen fallen
I ch raste den Kellerflur entlang und schlüpfte über die Leiter hinaus in die kalte Nacht. Ich musste Dante sprechen. Draußen angekommen, schlich ich mich um die Ecke und wollte gerade zum Weg rennen, als jemand meinen Namen flüsterte.
»Renée.«
Ich ging vor Schreck fast in die Luft, doch als ich Dante im Dunkeln neben der Tür stehen sah, entspannte ich mich.
»Ich hab auf der Krankenstation nach dir gesucht, aber da warst du nicht. Alles in Ordnung mit dir?«
Einen warnenden Finger an den Lippen, schaute ich mich um und zog ihn hinter das Gebäude.
Ich erzählte ihm alles. Zumindest fast alles.
»Was ich aber immer noch nicht begreife, ist, weshalb Gideon Eleanor umgebracht hat«, sagte ich.
Dante dachte nach. »Als Gideon letzten Frühling den Verdacht hatte, dass Cassandra tot ist, hat er getobt. Er wollte Rache.«
»Dann ist er los und hat die Akten gesucht«, murmelteich, »um rauszubekommen, ob man sie begraben hatte, und wenn ja, wer das getan hatte.«
Dante nickte. »Und in den Akten hat er was entdeckt. Irgendeinen Beweis.«
Meine Schultern sackten nach unten, als ich begriff. »Minnies Zeichnung. Ihre Zeugenaussage. Sie hat gesagt, dass Brandon Bell es getan hat.«
»Brandon umzubringen wäre ziemlich schwierig gewesen, weil er ja Wächter ist. Also hat Gideon beschlossen, stattdessen seine Schwester zu nehmen. Aber er hat sie nicht einfach umgebracht. Er hat sie absichtlich in eine Untote verwandelt. Das Schlimmste überhaupt für Brandon; etwas, womit er nicht leben kann.«
»Brandon hat kapiert, was
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