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Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Titel: Dead Beautiful - Deine Seele in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Woon
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bedeckte den Boden und bis auf das Geräusch von Papier beim Umblättern war es völlig still. Ich ging weiter, vorangezogen von einer Kraft, die nicht in mirselbst lag: eine Treppe hinauf, einen Seitengang hinunter und durch eine Doppeltüre hindurch, die sich in den Nordflügel öffnete. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hinwollte oder in welcher Abteilung ich mich befand, obwohl sie offensichtlich von den wenigsten Schülern genutzt wurde – die meisten Tische waren verwaist. Ich ging bis ans Ende, vorbei an gewaltigen Buchreihen bis zu einem Tisch, von dem aus man den Campus überblicken konnte. Gerade als ich mich setzen wollte, hörte ich Geflüster von der anderen Seite des Regals. Ich presste meine Tasche an mich, schlich auf Zehenspitzen zum Regal und lugte durch eine Lücke zwischen den Bänden.
    »Wächterkomitee, consilium monitorum erat.« Die Stimme Gideon DuPonts war tief und kalt. Er trug einen schwarzen Anzug und seine Hornbrille, das kastanienbraune Haar wieder links gescheitelt. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schlug die Beine übereinander. Neben ihm saßen Vivian und Yago. Um sie herum stapelten sich Bücher auf dem Tisch. Ich versuchte, die Titel zu entziffern, aber sie waren zu weit entfernt. Vorsichtig schlich ich näher und ging in die Knie, um besser sehen zu können, als ich auf dem Boden eine tote Maus entdeckte. Ich unterdrückte einen Laut, aber es gelang mir nicht ganz. Gideon, Vivian und Yago drehten sich allesamt in meine Richtung. Ich hielt mir die Hand vor den Mund, um meine Atemgeräusche zu dämpfen. Schon fürchtete ich, dass sie zu mir herüberkommen und mich entdecken würden, wie ich da mit einer toten Maus unter den Büchern hockte, aber zu meiner Erleichterung redeten sie weiter, diesmal leiser. Sie dachten wohl, dass sie auf Lateinisch ohnehin niemand verstehenkonnte. Und das stimmte – ich hatte keine Ahnung, worum es ging, doch ihr Verhalten zeigte, dass es nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war.
    »Quis id fecit?«, fragte Vivian mit schneidender Befehlsstimme. Sie trug einen Maßanzug und hatte sich eine weiße Fliege umgebunden.
    »Non scio« , antwortete Gideon.
    Yago unterbrach. »Puto van Laark esse.« Er trug ein himmelblaues Oxfordhemd und einen weißen Leinenblazer. Seine Krawatte saß schief und hing ihm locker um den Hals.
    »Erant alii« , fuhr Vivian dazwischen. Sie klang bösartig. »Nonne quid illa puella adferret meministi?«
    »Brandon erat. Brandon Bell« , sagte Gideon. Vivian wollte wieder unterbrechen, aber Gideon fuhr fort. »Atque modus ad eum castigandum per Eleanorem sororem eius est.«
    Ich zog laut die Luft ein, als ich Eleanors Namen heraushörte. Zum Glück musste Yago im gleichen Moment husten. Worüber sprachen die? Alles, was ich verstanden hatte, war Wächterkomitee, van Laark, Brandon Bell und wahrscheinlich Eleanor. Ich schwor, ab jetzt im Unterricht besser aufzupassen, und schielte zur toten Maus. Sie war teilweise verwest und mit Staub bedeckt. Die lag sicher schon wochenlang hier.
    Ich stand auf und wischte mir den Staub von den Knien, fest entschlossen, jetzt endlich mit der Arbeit zu beginnen. Aber als ich mich umdrehte, stand ich plötzlich Dante gegenüber. Erschrocken stieß ich gegen ein Regal und fegte ein Buch hinunter. Mit beinahe übermenschlicher Schnelligkeit fing Dante es auf, bevor es auf dem Boden landete. Er legte einen Finger auf meine Lippen. Die Kälte seinerHaut schien in meinen Körper einzusickern. Rasch zog er die Hand zurück und ich zitterte.
    »Renée.« Beinahe lautlos entschlüpfte mein Name seinem Mund, als wäre er ein Geheimnis, das er mir ins Ohr geflüstert hatte. Um uns herum türmten sich die Bände bis zur Decke und er beugte seinen Kopf zu meinem hinab, sein dunkles Haar im Gesicht. Ich fühlte, wie sein Blick über mich glitt, als ob er in mir lesen würde wie in einem Buch. Niemand hatte mich jemals so angesehen. Gerade wollte ich etwas erwidern, als Gideon verstummte. Er musste uns gehört haben, denn es folgte das Quietschen eines Stuhls, als jemand sich erhob.
    »Weg hier« , bewegte Dante stumm die Lippen und schnappte sich meine Tasche.
    Ich versuchte hinterherzukommen, als er sich durch das Labyrinth von Bücherregalen wand. »Wohin gehen wir?«, fragte ich, als wir außer Hörweite waren.
    »Irgendwohin, wo weniger los ist«, sagte er, obwohl der Rest der Bibliothek praktisch leer war.
    Wir hielten in einem kleinen, schwach beleuchteten Lesesaal an, mit Türen an jedem Ende

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