Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Titel: Dead Beautiful - Deine Seele in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Woon
Vom Netzwerk:
einem dieser Versandhauskataloge für Ökokleidung vor, an einem Felsenstrand mit einem langen Zweig in der Hand oder einem Stück Treibholz.
    »Märchen.« Ihre Stimme drang durch den Raum, hell wie ein Windspiel. »Was, wenn sie wahr wären?«
    Sie blickte im Raum umher, die Augen groß vor Aufregung. Sie war eine kleine Frau, wirkte zerbrechlich und dünn, obwohl ihre Gegenwart den Raum mit Energie zu füllen schien. »Was, wenn es auf dieser Welt einmal Riesen und Hexen gegeben hat; sprechende Tiere und Ungeheuer, die das Gute bedrohen? Diese Geschichten bilden die Grundlage unserer Gesellschaft, das, worauf die westliche Philosophie hauptsächlich beruht.
    Ich möchte, dass Sie die Bücher, die wir dieses Jahr lesen werden, nicht bloß als philosophische Geschichten betrachten, sondern als Wahrheiten.«
    Sie schlug ihr Buch auf und blätterte vor zur ersten Seite. »Also, lassen Sie uns reisen in dieses Land vor langer, langer Zeit, wo sie noch heute leben, wenn sie nicht gestorben sind, und herausfinden, wohin uns das führt.«
    Und sie fing an zu lesen. »Es war einmal …«
    Als ich den feinen Klängen von Miss LaBarges Stimme lauschte, versank ich in einen Tagtraum; ich war entrückt an einen einfacheren Ort, wo die Leute entweder gut oder böse waren und die Liebe ewig währte, wo Probleme durch den Glauben allein gelöst werden konnten und Feen und Faune einem den Weg wiesen, wenn man sich verirrte.
    Nach der Stunde wartete ich, bis sich alle aus dem Raum gedrängt hatten, und ging dann nach vorne. Hinter dem Pult sortierte Miss LaBarge ihre Papiere. Ich räusperte mich und sie blickte auf. »Hallo Renée.« Ich war überrascht, dass sie sich an meinen Namen erinnerte, und bekam ein noch schlechteres Gewissen, dass ich die Aufgabe nicht gemacht hatte. »Frau Professor, ich –«
    »Sie haben die letzte Stunde verpasst und nicht gewusst, dass ein Aufsatz fällig war. Ich weiß schon.«
    Ich schaute auf meine Füße. »Tut mir leid.«
    »Schreiben Sie ihn einfach bis nächste Woche«, sagte sie freundlich. »Schreiben Sie über etwas, an das Sie nicht glauben, es aber gerne würden. Und fragen Sie einfach das nächste Mal nach.«
    Ich nickte und presste meine Bücher an die Brust. Ichdachte an meine Eltern. An Benjamin Gallow. An den Friedhof hinter der Kapelle. Woran wollte ich glauben? An ein Leben nach dem Tod.
    Als ich am Ende des Tages zu Rohwissenschaften eintraf, wartete an unserem Tisch schon Dante auf mich. Diesmal ohne Latein- oder Tagebuch.
    »Hallo«, sagte er und rückte mir den Stuhl heran.
    Verblüfft setzte ich mich neben ihn und versuchte, nicht auf seine perfekt geformten Arme zu gaffen. »Hallo«, sagte ich mit bemühter Lässigkeit.
    »Wie geht’s dir?« Ich spürte seine Augen auf mir.
    »Gut«, entgegnete ich vorsichtig, als Professor Starking die Anweisungen für den Versuch austeilte.
    Dante runzelte die Stirn. »Nicht zum Reden aufgelegt heute, schon verstanden.«
    Ich steckte ein Thermometer in das schlammige Wasser des Aquariums vor uns, das ein geschlossenes Ökosystem darstellen sollte. »Jetzt willst du also reden? Wo die Lateinaufgaben erledigt sind?«
    Er schwieg eine Weile, dann sagte er: »Das war Recherche.«
    »Recherche zu was?«
    »Ist jetzt nicht mehr wichtig.«
    Ich sah ihn misstrauisch an. »Warum?«
    »Weil ich gemerkt habe, dass ich nicht auf die richtige Sache achte.«
    »Und die wäre?«, fragte ich und blickte wieder zur Tafel, während ich den Saum meines Rocks glatt zog.
    »Du.«
    Meine Lippen zitterten, als die Worte meinen Mund verließen. »Ich bin keine Sache.«
    »Ich will dich einfach kennenlernen.«
    Ich sah ihn an, im Kopf eine Million Fragen an ihn. Ich traf meine Wahl. »Und ich darf nichts über dich wissen?«
    Dante lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Mein Lieblingsautor ist – erraten – Dante«, meinte er mit spöttischem Unterton. »Obwohl ich auch eine Schwäche für die Russen hab. Ich mag Musik. Eigentlich so ziemlich jede, obwohl mir besonders Mussorgski und Strawinsky und überhaupt alles gefällt, wo eine Geige mitmacht. Sind beide etwas düster, oder? Früher mochte ich Opern, aber da bin ich weitgehend drüber weg. Das heiße Klima bekommt mir nicht so gut. Nachtisch hat mir nie geschmeckt, obwohl ich mal Kirschen geliebt habe. Meine Lieblingsfarbe ist Rot. Und ich mach gerne lange Spaziergänge im Wald, um den Kopf durchzupusten. Daher auch mein fulminantes Wissen über die Flora und Fauna Nordamerikas. Und«, sagte er, während

Weitere Kostenlose Bücher