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Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Dead Beautiful - Deine Seele in mir

Titel: Dead Beautiful - Deine Seele in mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Woon
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diese beiden, sah gebannt auf die Uhr, zählte die Minuten bis zur letzten Stunde, Rohwissenschaften, wo ich Dante treffen würde. Die letzte Nacht schien wie ein Traum, nur dass ich mich an jedes Detail erinnern konnte –an das Flattern in meinem Magen, als er meinen Hals küsste; an die Bücher, die uns vor die Füße gepoltert und über die wir gestolpert waren; an den halbmondförmigen Abdruck unserer Körper im Bett. Jede einzelne Erinnerung wickelte ich aus wie ein Geschenk; ich ließ mich von Dantes Samtstimme einhüllen, während ich in der Klasse wegdöste oder in der Warteschlange des Speisesaals anstand. Die schlechte Laune von Professor Lumbar versank daneben ebenso in Bedeutungslosigkeit wie die Doppelstunde Beweise, die uns Professor Chortle servierte.
    Als die fünfte Stunde nahte, machte ich mich mit klopfendem Herzen auf zum Unterricht, nicht ohne vor dem Öffnen der Tür zur Sternwarte mein Spiegelbild in den Fenstern überprüft zu haben.
    Gerade als es klingelte, hastete Professor Starking hinter mir herein, eine Schachtel voller Filme und einen unordentlichen Papierstapel unter die Arme geklemmt. Dante saß schon an unserem Platz, die Krawatte tadellos um den Hals gebunden, und sein Blazer hing über der Stuhllehne.
    Als ich den Gang durchschritten und hinter ihm stehen geblieben war, guckte ich über seine Schulter. Er machte sich Notizen auf Lateinisch. Auf einmal war ich nervös; es war, als ob alles, was ich mir jemals in meinem Leben gewünscht hatte, kurz vor der Erfüllung stand, wenn ich nur meine Hand ausstreckte und zugriff. Aber gerade als ich die Hand heben wollte, fasste Dante nach ihr, ohne auch nur die Augen vom Blatt zu lösen. Ich schnappte nach Luft. Er drehte sich zu mir um und lächelte fast unmerklich – ebenso unmerklich war auch der Kuss, den er auf meine Handfläche drückte.
    Während der Stunde sprachen wir so gut wie nichts. Draußen war es bewölkt, und nachdem Professor Starking das Licht ausgeknipst hatte, warf er den Projektor an. Plötzlich erschien ein Bild an der Wand. Es war ein Foto vom Weltall, von einer rostfarbenen Staubwolke, die sich Fingern gleich emporkrümmte.
    »Die Säulen der Schöpfung«, erklärte Professor Starking. »So sehen Sterne aus, bevor sie ihre Form bekommen. Sie bestehen aus interstellarem Gas und Staub.«
    Er schaltete zum nächsten Dia, und dann zum nächsten – jedes zeigte andere kosmische Nebel, deren jenseitige Schönheit an die Wand des Observatoriums geworfen wurde.
    »Was wolltest du mir erzählen?«, flüsterte ich Dante zu.
    »Nicht hier«, gab er zurück, den Blick auf die Bilder gerichtet. »Es ist zu wichtig.« Ich versuchte, mir auszumalen, was er mir sagen wollte. Mir seine unsterbliche Liebe gestehen? Renée , ich liebe dich. Flieh mit mir von diesem Ort. Wir werden gen Norden ziehen, in die Wildnis, und dort Seite an Seite ein Leben am Rande des Abgrunds führen. Und ich würde Ja sagen. Aber warum wollte er das nicht hier loswerden, in der Dunkelheit der Sternwarte? Dinge, die man nur unter vier Augen mitteilen konnte, waren gewöhnlich schlimme Dinge, zu peinlich, zu entblößend, um sie am helllichten Tag, vor anderen Leuten zu erzählen. Falls es wirklich so war, dass er mir seine Liebe gestehen wollte: Würde er das nicht so bald wie möglich tun wollen? Verunsichert zog ich meinen Rock gerade. Vielleicht hatte er seine Meinung geändert. Letzte Nacht in seinem Zimmer war es finster gewesen; vielleicht hatte er jetzt meine Fehlerentdeckt, die ihm vorher nicht aufgefallen waren: unreine Haut, die Narbe unter meinem Kinn und wie groß meine Ohren eigentlich aussahen.
    Professor Starking trat einen Schritt zurück, um die Nebel an der Wand zu bewundern. »Auf den ersten Blick sehen sie fremd und merkwürdig aus«, sagte er. »Aber jeder von uns ist aus den Elementen gemacht, die Sie hier sehen. Ihre Schönheit liegt in ihrem Durcheinander. Das verleiht ihnen eine Kraft, die ausgeformten Sternen fehlt.«
    Während die Dias umsprangen, rückte Dante näher an mich heran und schob seine Hand in meine.
    Keiner von uns wagte, den anderen anzuschauen. Stattdessen hielten wir unseren Blick konzentriert auf die Bilder gerichtet. Auch ich bewegte mich auf ihn zu und drückte mein Bein gegen seines. Für den Rest der Klasse sahen wir aus wie ein Junge und ein Mädchen, die nebeneinandersaßen. Aber unterhalb der Oberfläche drängte alles in mir nach außen, wollte ausbrechen in eine kreisende Wolke aus Teilchen, flüchtig

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