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Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)

Titel: Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Woon
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sich. Über das Boot senkte sich Stille.
    »Wächter! Freunde. Danke, dass ihr euch aus diesem traurigen Anlass zusammengefunden habt.« Sein weißes Haar flatterte im Wind. »Annette LaBarge war eine geheimnisvolle Frau. Eine einzelgängerische Frau. Eine Frau mit vielen Facetten.« Er hielt inne und ließ seine Worte in der Luft hängen. »Einige von uns sind hier, weil sie Annette die Philosophielehrerin kannten. Andere kannten Annette die Schülerin, die Wächterin, später die Kollegin. Wieder andere Annette die Helferin, die Freundin.«
    Das Boot schwankte. Vorne waren zwei Frauen in Tränen ausgebrochen.
    »Annette würde sagen: ›Wir können die Handlungen anderer nicht beeinflussen. Uns bleiben nur unsere eigenen Reaktionen.‹ Ich bitte euch also inständig, aus ihrem Tod zu lernen. Lasst uns reagieren. Lasst uns den Untoten finden, der sie getötet hat, und diese Kreatur zur Ruhe bringen.«
    Mein Großvater zog das gefaltete Taschentuch aus seiner Anzugjacke und trocknete sich die Schläfen, bevor er mit seiner Totenrede fortfuhr. Ich blickte auf den offenen Sarg, der so nahe stand, dass ich Miss LaBarges Nasenspitze erkennen konnte. War der Tod denn jemals gerecht? Wäre es leichter zu ertragen gewesen, wenn Miss LaBarge einesnatürlichen Todes gestorben wäre? Oder würde es sich immer so anfühlen, als wäre uns ein Leben einfach genommen worden?
    Ein Windstoß fegte einen Stapel Papierservietten ins Wasser und besprenkelte die Oberfläche mit weißen Quadraten. Über uns kreischte eine Möwenschar.
    Mein Großvater schlug ein Gebetbuch auf und trug einen Absatz auf Französisch vor, während mein Blick auf den Wellen lag, die gegen den Bootsrumpf schwappten, dann zu den Möwen oben auf dem Mast hinaufglitt und schließlich gen Himmel, der über dem Meer so viel weiter wirkte. Wie schön schienen mir all diese Einzelheiten jetzt, wo ich wusste, dass Dante noch auf dieser Welt war, dass er mich liebte.
    Mein Großvater schlug das Gebetbuch zu und machte eine Geste in Richtung zweier Männer, die einen Bottich mit Erde unter Deck hervorwuchteten und ihn neben dem Sarg abstellten. Mein Großvater berührte Miss LaBarges Stirn mit seinem Daumen, griff dann nach seiner Schaufel, versenkte sie im Bottich und bestreute die Leiche mit Erde.
    Das Boot entlang bildete sich nun eine Schlange und nach und nach tat es ihm jeder nach. Brett stand hinter mir, schrittweise ging es nach vorne, bis ich an der Reihe war.
    Ich zögerte, bevor ich an den Sarg trat, in dem Miss LaBarge mit zwei Münzen auf den Augen lag, wie es die Wächtersitte verlangte. Ihr Gesicht wirkte so ausdruckslos und seltsam unmenschlich. Erde und Blütenblätter bedeckten ihren Körper.
    »Nur weiter«, sagte Brett und stupste mich leicht an.
    Ich senkte meine Schaufel in den Bottich, beugte michnach vorn und berührte Miss LaBarges Stirn mit zitternder Hand.
    Die Kälte ihrer Haut erschreckte mich; ich fuhr zurück und verstreute die Erde übers ganze Deck. Alle Blicke ruhten auf mir und in tödlicher Verlegenheit beugte ich mich hinunter, um die Erdkrumen aufzusammeln.
    »Lass gut sein, Renée.« Mein Großvater zog mich am Arm in die Höhe.
    Ich trat an die Reling und fühlte mich völlig verloren. Mir gegenüber saß auf einer Bank Eleanors Mutter und schlang sich die Arme um die Knie; ihr blondes Haar flatterte ihr ums Gesicht. Einen winzigen Moment lang trafen sich unsere Blicke, bevor wir beide schnell die Augen abwendeten. Ich hatte immer noch keine Ahnung, wie man mit dem Tod umgeht, trotz meiner Eltern, trotz Dante. Das ist etwas, das einem niemand erzählt. Es wird einfach niemals leichter.
    Der Kapitän entriegelte einen Ausstieg in der Reling am Ende des Decks. Mit einiger Anstrengung hievten mein Großvater und drei weitere Männer den Deckel auf Miss LaBarges Sarg, verschlossen ihn fest, hoben die versiegelte Kiste an den Rand des Bootes und ließen sie ins Wasser gleiten. Es spritzte weit weniger auf, als ich erwartet hatte, und ich sah zu, wie der Sarg einen Augenblick auf der Wasseroberfläche zitterte, bevor das Meer ihn verschluckte, sah die winzige Spur kleiner Bläschen hinter der Kiste, als hätte Miss LaBarge zum letzten Mal ausgeatmet.
     
    Als wir an jenem Abend ins Herrenhaus zurückkehrten, hüllten mein Großvater und ich uns in Schweigen. Ich versuchte zu schlafen, aber Dantes kribbelnde Gegenwart rüttelte mich immer wieder wach, als wäre er bei mir imZimmer, als kitzelte sein kalter Atem meine Lippen. Ich

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