Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
diesen Brief von meiner Mutter, dass ich schon Erscheinungen hatte.
»Renée«, sagte ein Junge hinter mir und ich drehte mich um. Da stand Brett Steyers, ein Schulfreund vom Gottfried und Eleanors Exfreund, in dunkelblauem Anzug und mit sandblonder Sturmfrisur. »Wo hast du dich den ganzen Sommer über versteckt?«
Ich versuchte, meine Haare zu bändigen, die wild in der Luft herumfuhren. »Bei meinem Großvater«, sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln.
»Na klar«, sagte er.
Ich furchte die Stirn. »Was soll das bitte heißen?«
»Nichts«, sagte er und fuhr die Ritzen in den Schiffsplanken mit seinem Schuh nach. »Also, wann hast du das alles rausgefunden?« Sein Blick glitt über die anderen Wächter und mir wurde klar, dass wie beide noch nie miteinander über die Untoten gesprochen hatten.
»Letzten Winter«, sagte ich leise. »Und du?«
»Letzten Frühling.«
»Hast du noch Kontakt zu Eleanor?«, fragte ich.
Brett schob sich die Hände in die Hosentaschen und schüttelte fast unmerklich den Kopf. »Was ist mit dir und …« Den Rest des Satzes überließ er dem Wind. Jeder wusste, dass die Lehrer des Gottfried nach Dante suchten.
Ich richtete meinen Blick auf eine Möwe, die auf Deck gelandet war und sich an einem verschmähten Häppchen gütlich tat. »Nein«, antwortete ich.
»Es heißt, dass er und sein Freund Gideon letztes Frühjahr die Rektorin ermordet haben«, sagte Brett.
Bei der Erinnerung an jene Nacht schüttelte es mich. Dante hatte mich beschützt, während Gideon, ein anderer Untoter, die Seele der Rektorin geraubt hatte. Ihre Beine hatten unter ihm gebebt, bis sie schließlich ganz still dagelegen hatten. Danach war Gideon gestorben; Dante hatte ihn unter die Erde gezogen, was eigentlich für beide das Ende bedeutet hätte. Aber ich hatte Dante geküsst und ihm so meine Seele gegeben. Ich war für ihn gestorben und zehn Tage später hatte er mir meine Seele wiedergegeben. Er war kein Mörder. Ich wollte es in den Wind brüllen, bis jeder die Wahrheit wusste. Aber wie in aller Welt sollte ich das nur erklären, geschweige denn beweisen, dass er keine Gefahr darstellte?
»Es heißt auch, dass Dante auf der Flucht ist, nach Kanada.« Er musterte mein Gesicht, auf der Suche nach einer Antwort.
»Dante würde nie jemanden umbringen«, sagte ich abwehrend. »Und was Kanada angeht, dazu weiß ich einfach nichts.«
Ein paar Schritte hinter ihm standen April und Allison, die Zwillinge aus meinem Gartenbaukurs, zusammen mit ein paar anderen Schülern, die ich kannte. Ich winkte ihnen zu, aber statt zurückzugrüßen, wandten sie sich ab. Ich zog die Stirn kraus.
Brett war meinem Blick gefolgt. »Mach dir über die keine Gedanken«, sagte er und schnappte sich ein Krabbenbrötchenvon einem der Tabletts, die vorbeigetragen wurden.
Das Boot verlangsamte die Fahrt und der Kapitän ließ einen Anker zu Wasser. Es schien Minuten zu dauern, bis die Kette endlich abgewickelt und gespannt war. Vom Heck des Bootes dröhnte die Stimme meines Großvaters herüber. »Wenn sich jetzt bitte alle vorn versammeln würden.«
Die Menge bildete einen engen Kreis um Miss LaBarges Sarg. Brett und ich standen in zweiter Reihe.
»Also, ist es wahr?«, fragte mich Brett mit gesenkter Stimme.
»Ist was wahr?«
»Du weißt schon.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, weiß ich nicht.«
Brett blickte prüfend um sich. »Dass du irgendwie … unsterblich bist?« Er ließ es scherzhaft klingen, als fände er es selbst lächerlich, doch ich wusste, wie ernst die Frage gemeint war.
Mir schoss das Blut ins Gesicht. Jetzt verstand ich, warum Brandon und die Mädchen aus Gartenbau so reserviert gewirkt hatten. Würde es genauso sein, wenn ich an die Schule zurückkehrte? »Ich – ich weiß nicht, was du da redest.«
Ein alter Mann drehte sich mit finsterem Blick zu uns um. Brett lächelte ihn höflich an und beugte sich zu mir herunter. »Die Wächter sagen alle, dass Gideon dir die Seele geraubt hat und du gestorben bist, aber anstatt wiederaufzuerstehen, bist du einfach aufgewacht. Lebendig.«
Ich biss mir auf die Lippe. Ich konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. Ich konnte niemandem die Wahrheitsagen, denn sonst würde Dante begraben und ich erst recht zum Gegenstand der Untersuchung werden.
Brett musterte mich erstaunt. »Es ist wahr, das sehe ich doch.«
Bevor ich mir eine angemessen unverbindliche Antwort aus den Fingern saugen konnte, trat mein Großvater ins Zentrum des Kreises und räusperte
Weitere Kostenlose Bücher