Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
strampelte die Decke von mir und trat ans Fenster. In meinem Kopf pochten wilde Gedankenfetzen: Miss LaBarges Nasenspitze im Sarg; Brett, der sein Krabbenbrötchen mampfte; die Brösel auf seinem Kinn, als er mich nach Dante ausquetschte.
Ich presste meine Finger gegen die Fensterscheibe, die jetzt ganz kühl war von der Nachtluft, und stellte mir vor, ich würde Dante berühren. Ich öffnete das Fenster einen Spalt und ließ mir die eisige Luft unter das Nachthemd wehen. Draußen an der Auffahrt wanden und wiegten sich die Bäume und ihre Schatten tanzten über die Steine. Ich schaute hinaus und wartete darauf, dass Dantes Gesicht sich in der Dunkelheit abzeichnete, bis schließlich am Horizont die Sonne aufging.
Die Post kam früh. Die Türglocke weckte mich mit einem Schlag; mein Hals war ganz steif – ich war im Sessel eingeschlafen. Durch das Fenster konnte ich einem schlaksigen Briefträger dabei zusehen, wie er sich auf der Vortreppe die Schultertasche richtete und dabei die Fassade des Anwesens bewunderte. Unten hörte ich Dustin zur Tür schlurfen und ihn begrüßen.
Ich warf mir eine Strickjacke über und lief hinunter. Dustin stand in der Eingangshalle und unterschrieb etwas auf einem Klemmbrett. Dann überreichte ihm der Briefträger ein einziges Kuvert.
»Was ist das?«, fragte ich, als Dustin es in der Hand wendete und die Tür schloss.
Er zuckte erschrocken zusammen. »Ach, Renée.« Schon hatte er sich wieder gefangen. »Wie praktisch. Das hier ist für Sie.«
In der Hoffnung, er sei von Eleanor, griff ich nach dem Brief und wusste sofort, dass ich enttäuscht würde. Der Umschlag war aus elfenbeinfarbenem Büttenpapier. Mein Name war in zierlichen Blockbuchstaben geschrieben. Der Absender:
Gottfried-Institut.
Ich brach das Siegel auf.
Liebe Schüler des Gottfried, liebe Eltern!
Tief betrübt geben wir bekannt, dass die Gemeinschaft
des Gottfried ein weiteres Mitglied verloren hat.
Annette LaBarge, Absolventin und hochgeachtete Philosophielehrerin unseres Instituts, ist verstorben. Vielen von uns hier war sie eine Freundin, Kollegin und Mentorin, und unser Mitgefühl gilt ihrer Familie und denen, die sie geliebt haben.
Durch diese Tragödie sehen wir uns gezwungen, die jüngsten Ereignisse am Gottfried neu zu bewerten. Nach dem traurigen Verlust unseres Schülers Gideon DuPont und unserer Rektorin Calysta van Laark durch einen Unfall im letzten Frühjahr und nach dem zwei Jahre zurückliegenden beunruhigenden Todesfall von Benjamin Gallow, einem geschätzten Mitglied unserer Schülerschaft, sind wir zur Auffassung gelangt, dass das Gottfried-Institut unseren Schülern kein sicheres und gesundes Lernumfeld mehr bieten kann. Nach sorgfältiger Abwägung haben wir die schwierige Entscheidung getroffen, die Tore des Gottfried zu schließen. Das Institut wird nur einer kleinen Anzahl von Schülern mit besonderen Bedürfnissen zugänglich bleiben.
Hinsichtlich Fragen zur Einschreibung an unserer Schwesterschule, dem Lycée St. Clément, oder zum vertraulichen
Austausch über die kürzlich erlittenen Verluste unserer akademischen Familie möchte ich Sie ausdrücklich ermuntern, mit mir oder jedem anderen Mitglied des Gottfried-Lehrkörpers Kontakt aufzunehmen. Unsere Gemeinschaft und jeder Einzelne von uns bleibt weiterhin der Gesundheit und der erfolgreichen Zukunft unserer Zöglinge verpflichtet.
Mit herzlichen Grüßen
Professor Edith Lumbar
Aus dem Fenster blickte ich dem Postlieferwagen nach, der hinter den Bäumen verschwand. Tief im Innersten hatte ich gewusst, dass das Gottfried würde schließen müssen; ich hatte nur nicht daran geglaubt, dass es wirklich so weit kommen würde. Aber als ich meinen Blick senkte, lag der Brief noch immer in meiner Hand und die Worte waren immer noch dieselben.
Dustin warf mir einen Blick zu, bevor er ein Tablett mit Kaffee und Scones griff. »Es tut mir so leid, Renée.«
»Haben Sie schon vorher davon gewusst?«
Dustins Gesicht wurde lang. »Aber nein. Ich … äh … Warum sprechen Sie nicht einfach mit Ihrem Großvater.« Er enteilte auf den Flur, um dem Hausherrn das Tablett ins Arbeitszimmer zu tragen. Ich folgte ihm auf den Fersen.
Dustin klopfte an. »Herein«, sagte mein Großvater und nahm die Lesebrille ab, als er mich wahrnahm.
»Stimmt das?« Ich reichte ihm den Brief.
Er nahm ihn mir ab und überflog ihn.
»Ja«, sagte er. »Und nein.«
Ich schüttelte den Kopf. »Wie bitte?«
»Du wirst nicht ans Gottfried
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