Dead Beautiful - Unendliche Sehnsucht: Roman (German Edition)
Raum Mr Pollet mit schweißnassen Achselhöhlen am Projektor herumfummelte.
Nur neun andere Schüler hatten sich um den Tisch versammelt, darunter Anya, Clementine, Brett und einige Jungen, die ich nicht kannte. Als es klingelte, richtete Mr Pollet sich auf und nahm seinen Platz vor der Tafel ein.
»Die Stadt Montreal wurde unterirdisch angelegt«, sagte er und betupfte seine rosa Stirn. »Sie ist die einzige Stadt, die von Wächtern für Wächter errichtet wurde, und damit der einzige Schutzhafen für Wächter, die einzige Wächterfestung.«
Er durchquerte den Raum, um das Licht auszuknipsen, und schaltete den Projektor ein. »Die ersten Wächter emigrierten aus Frankreich hierher. Ihr Traum war es, einen Ort zu schaffen, wo sie die Untoten in einer geschlossenen Umgebung studieren konnten. Ihre Wahl fiel deshalb auf eine Insel, wo sie unterhalb der Stadt ein Tunnelnetzwerk aushoben. So konnten sie sich vor den Untoten, die sich nicht unter der Erdoberfläche aufhalten können, schützen.«
Er drückte auf seine Fernbedienung und das erste Dia erschien. Das Foto zeigte eine gewöhnliche Straße in einer Großstadt. Auf dem Gehsteig stand eine kleine Hütte, die wie ein Klohäuschen aussah.
»Einer der Eingänge zum Tunnelnetzwerk«, sagte er und klickte weiter zum nächsten Dia. Eine Innenaufnahme zeigte die Stufen, die unter die Erde führten.
Er klickte weiter. Ein Tunneleingang unter einem Gebäude. Eine Treppe am Ende eines Gässchens. Eine Holzhütte am Fuße des Mont Royal, der das geografische Zentrum der Stadt bildete.
»Und praktischerweise laufen sie alle hier zusammen.«
Er zeigte die Schwarz-Weiß-Skizze eines weitläufigen gotischen Gemäuers mit Burgtürmchen und spitz zulaufenden Alkoven. »Hier haben wir das Royal-Victoria-Krankenhaus, unmittelbar nach seiner Errichtung durch die Wächter. Natürlich hieß es damals noch das Spital Saint-Laurent.«
Eine merkwürdige Vorahnung machte sich in mir breit, als würden Jahre der Vorbereitung jetzt in diesem Moment gipfeln. Wie aus dem Nichts überwältigte mich der Drang, zu wissen, was sich hinter diesen Mauern verbarg. Nicht Patienten, Ärzte oder Krankenpfleger, sondern etwas anderes …
»In den Gründerjahren, als die Wächter noch die Stadt beherrschten, war das Royal Victoria das einzige Krankenhaus Nordamerikas, das untote Kinder behandelte. Später, in den 1890er-Jahren, wurde das Spital von den Plebejern übernommen, aber diese Zeichnung ist noch zu Wächterzeiten entstanden.«
Ich blinzelte und auf einmal war das Bild in Farbe.
»Aus jedem Teil der Stadt führten Tunnel direkt ins Versorgungszentrum des Krankenhauses. Auf diese Weise war sichergestellt, dass die Wächter im Falle eines Angriffs der Untoten leichten Zugang zu Vorräten wie Mull, Balsam und Scheren aus dem Krankenhaus hatten.«
Ich blinzelte noch einmal und jetzt schienen die Fähnchen auf den Türmen des Gebäudes im Wind zu flattern.
»Nachdem die Wächtergemeinschaft langsam ausstarb, verloren wir nach und nach die Kontrolle über Montreal.«
Wieder blinzelte ich und jetzt war es, als stürze das ganze Klassenzimmer über mir ein.
»Heute wird Montreal nicht mehr von den Wächtern verwaltet, ebenso wenig wie das Krankenhaus. Tatsächlich ist heute den meisten Menschen hier nicht einmal mehr bewusst, dass wir oder die Untoten existieren.«
Das war das Letzte, was ich hörte, bevor alles schwarz wurde.
Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich im Inneren des Bildes, stand auf dem Rasen vor dem Spital. Der Herbsttag war frisch; eine leichte Brise bauschte die Fähnchen auf den Turmspitzen. Ich hielt einen Blumenstrauß in den Händen.
Vier Krankenwagen parkten auf der Zufahrt des Krankenhauses, als ich auf den Eingang zu und durch dieSchwingtür ging. Im Foyer gab es eine Anmeldung, wo mehrere Schwestern hinter einem Empfangstresen postiert waren. Ich beugte mich vor und lächelte, um sie auf mich aufmerksam zu machen.
»Kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte sich eine dralle junge Krankenschwester mit sommersprossigen Pausbacken und einer weißgelben Uniform.
»Ja, ich besuche den Patienten auf Zimmer 151«, sagte ich und reckte die Blumen.
»Ist der Patient mit Ihnen verwandt?«
»Meine Schwe-, ich meine, mein Bruder. Er ist mein Bruder«, sagte ich schnell.
Die Pflegerin schenkte mir ein trauriges Lächeln. »Mein Beileid.« Sie gab etwas in den Computer ein und wies mir den Weg auf die Kinderstation.
Die Gänge waren steril und neonhell
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